Bernhard Redl (akin): Krisenschicksale der Tagespresse

Die krisengeschuettelten Blaetter „Frankfurter Rundschau“ und „Junge 
Welt“ in Deutschland sowie „Eleftherotypia“ in Griechenland bleiben
einstweilen noch auf dem Medienmarkt. Doch die Strategien des
Ueberlebens sind recht unterschiedlich.
*

„Die FR bleibt linksliberal“ titelte eben jene „Frankfurter Rundschau“
am 1.Maerz. Glauben will das aber so recht niemand — weder das
„bleibt“ noch das „linksliberal“. Denn die insolvente FR wird
verkauft — an die buergerliche „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ)
und die Frankfurter Societaet, deren Hauptaktivitaet bislang die
Produktion des lokalen Boulevardblattes „Frankfurter Neue Presse“
(FNP) und des Lokalteils der FAZ war. Sowohl FAZ als auch Societaet
gehoeren mehrheitlich der FAZIT-Stiftung.

Beim Eigentuemerwechsel der FR handelt es sich allerdings nicht nur
einfach um einen Verkauf, sondern auch um eine voellige Zerstoerung
der bisherigen Beschaeftigtenbasis. Hatte die FR bislang rund 400
Mitarbeiter, sollen nun unter FAZ-Fuehrung nur mehr 28 Redakteure die
Zeitung machen. Die Uebrigen werden bei vermindertem Gehalt fuer ein
halbes Jahr in einer Transfergesellschaft ausgelagert — was grosse
Frustration bei den bisher Beschaeftigten ausloest: „Nachdem wir
jahrelang auf Loehne verzichtet haben, um die FR zu retten, werden wir
nun einfach so abgespeist“, zitiert die „taz“ den
Betriebsratsvorsitzenden Marcel Bathis.

Eine weitere politische Dimension erhaelt die Angelegenheit durch die
Rolle von Christdemokratischer Union und Sozialdemokratischen Partei.
2003 hatte die FR ihrer erste grosse Krise — das Land Hessen sprang
mit einer Buergschaft zur Rettung der FR ein. Die SPD befuerchtete
eine Einflussnahme durch die CDU-gefuehrte hessische Landesregierung
so kaufte die SPD-eigene Medienholding DDVG 2004 90% des
FR-Verlages — um 2006 die Aktienmehrheit an den DuMont-Verlag
weiterzugeben. Der DDVG verblieb ein Minderheitsanteil von knapp 40%.
Nun liessen SPD und DuMont, den FR-Geschaeftsfuehrer Insolvenzantrag
stellen und verkauften dann an FAZ und FNP.

Von den bisherigen Eigentuemern werden diese Entscheidungen als
alternativlos dargestellt. Die taz zitiert dazu hingegen Manfred Moos,
Medienexperte bei der Gewerkschaft Ver.di im hessischen Landesbezirk:
„Die Moeglichkeit, dies ohne eine Insolvenz zu regeln, wurde von den
Gesellschaftern nicht mit dem noetigen Ernst betrieben“. Der
Geschaeftsfuehrer der SPD-Medienholding, Jens Berendsen, dazu: „Wir
haben die FR 2004 uebernommen und damit gerettet. Seither uebernehmen
wir soziale Verantwortung, nun geht es nicht mehr.“

Soliaufruf rettet „Junge welt“

Im Herbst 2012 stand auch die sich als marxistisch verstehende
Tageszeitung „Junge Welt“ vor dem Aus. Die 1947 als Zentralorgan der
„Freien Deutschen Jugend“ gegruendete Zeitung ueberlebte die
Wiedervereinigung und etablierte sich in ihrer seither recht
wechselvollen Geschichte einigermassen in der deutschen
Medienlandschaft. Doch auch die jW ist natuerlich betroffen von der
eminenten Krise der Tagesprintmedien. Als deklariertes Meinungsmedium
konnte sie aber mittels eines Solidaritaetsaufrufs im Oktober letzten
Jahres noch einmal den Bankrott abwenden. So konnte sie im Jaenner
2013 vermelden: „Die Junge Welt wurde gerettet. Die verkaufte Auflage
konnte von 17138 auf 18174 gesteigert werden. Wir haben es aufgrund
unserer revolutionaeren Elans geschafft, insgesamt 1000 neue Leser zu
gewinnen. Das entspricht einer Erhoehung der verkauften Auflage um
6%.“ Ob das reichen wird, bleibt allerdings fraglich — das naechste
Ziel der jW ist eine Auflage von 20.000 Exemplaren.

Griechenland: Gespaltene Pressefreiheit

Einen seltsamen — und wohl in der eklatanten oekonomischen Schieflage
Griechenlands kaum durchhaltbaren — Weg geht hingegen die
linksliberale „Eleftherotypia“. Die Zeitung, deren Titel
„Pressefreiheit“ bedeutet, gibt es jetzt an griechischen
Zeitungsstandeln quasi in zwei verschiedenen Versionen.

Eleftherotypia war 2011 in Konkurs gegangen. Die Mitarbeiter der
Zeitung reagierten darauf mit einer Besetzungsaktion und der
Produktion des Streikblatts „Eleftherotypia der Redakteure“. Daraus
wurde dann „Die Zeitung der Redakteure“ — da die Rechte auf den Titel
„Eleftherotypia“ bei der bisherigen Verlegerin verblieben. Heute
erscheint das Blatt im Genossenschaftseigentum einiger frueherer
Eleftherotypia-Mitarbeiter taeglich — dank teilweisem Lohnverzicht in
der Anfangsphase.

Nun taucht von neuem eine Zeitung mit dem Titel „Eleftherotypia“
auf — herausgegeben von der bisherigen Verlegerin, doch zum Zwecke
geringerer Gehaelter wirtschaftlich in eine Drittfirma ausgelagert.
Inhaltlich versuchen sich beide Blaetter auch weiterhin als
linksliberale Aufdeckermedien. Ob sie separiert voneinander besser
ueberleben koennen als gemeinsam, was ja auch schon nicht mehr
funktioniert hat, ist abzuwarten.

*Bernhard Redl*