Griechenland: »Solarbranche darf nicht von Konzernen beherrscht werden« (Gespräch mit Alexis Chaitsis, Syriza)

Das »Helios-Projekt« in Griechenland ist wohl gescheitert. Chaos auf dem Sektor der erneuerbaren Energien. Ein Gespräch mit Alexis Charitsis

Interview: Wolfgang Pomrehn
Alexis Charitsis ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Parlamentsfraktion des griechischen Linksbündnisses Syriza und Leiter der Vorstandsabteilung für Energiefragen

Die EU-Kommission und die deutsche Regierung machen Werbung für das »Helios-Projekt« in Griechenland – dabei geht es um den Bau von Solarparks in großem Stil. Wie steht es um das Projekt?

Es wurde vor zwei Jahren als der einzige Ausweg für Griechenlands Energieprobleme vorgestellt und zugleich als Möglichkeit, Auslandsschulden zurückzuzahlen. Vorgesehen war ursprünglich, mit Geld aus Deutschland die Photovoltaik massiv auszubauen – Solaranlagen also, die die Sonneneinstrahlung direkt in elektrische Energie umwandeln. Zu dem Plan gehörte auch, daß die deutsche Regierung im voraus den Strom bezahlt, der dann der deutschen Stromproduktion zugerechnet würde. Die vermiedenen Treibhaus­gasemissionen sollten Deutschland gutgeschrieben werden – so daß dessen ökologische Bilanz etwas sauberer wird.

Was haben Ihre Partei und die sozialen Bewegungen Ihres Landes dagegen einzuwenden?

Zum Beispiel, daß es sehr zentralistisch angelegt ist und daß die Solaranlagen nicht auf Hausdächer, sondern in die Landschaft gestellt werden sollen. Aber inzwischen redet niemand mehr von dem Projekt. Wir haben den Eindruck, daß es stillschweigend begraben wird, weil es nicht umsetzbar ist.

Wäre es denn nicht ideal für Griechenland, die Sonnenenergie stärker zu nutzen?

Mit Sicherheit, in kaum einem anderen Land Europas läßt sich die Sonneneinstrahlung so intensiv nutzen. Außerdem haben wir auch die nötigen Fachkräfte – Techniker und Ingenieure. In den vergangenen Jahren hat sich Solarbranche zwar stark entwickelt, aber leider in die falsche Richtung. Die »grüne Ökonomie«, die uns in den vergangenen Jahren als Weg empfohlen wurde, den der griechische Kapitalismus nehmen soll, entwickelt eine neue Blase.

Wie muß man das verstehen?

Für uns als Mitglieder von Syriza ist Technologie keineswegs neutral, die neoliberalen Rahmenbedingungen führen nämlich zu Problemen: Viele schon bestehende Anlagen wurden immer noch nicht ans Netz angeschlossen. Außerdem sind die Einspeisetarife, die die Investoren anlocken sollen, extrem hoch. Für Solarstrom hat es anfangs 40 bis 45 Cent pro Kilowattstunde gegeben, das waren damals die höchsten Vergütungen überhaupt in Europa. Im vergangenen Jahr langen sie noch zehn bis 15 Prozent über dem, was in Deutschland üblich ist.

Weil viele an diesem Boom teilhaben wollen, drängen sich zunehmend Unternehmen in den Markt, die keinerlei Erfahrung auf diesem Sektor haben. Umweltrichtlinien werden kurzerhand umgangen, was z.B. dazu führt, daß Solaranlagen auf Flächen entstehen, die für die Land- oder Forstwirtschaft ausgewiesen sind. Das wirft mehr Profit ab, als sie auf Hausdächer zu montieren.

Ein anderes Problem ist, daß die Leute sich zwar Lizenzen für den Bau einer Anlage besorgen, aber mit diesen dann spekulieren, statt tatsächlich zu bauen. Unter dem Strich herrscht auf diesem Sektor nichts als Chaos – für dessen Folgen wird letztlich der Verbraucher aufkommen müssen. All das hat dazu geführt, daß das Thema »erneuerbare Energie« sehr unpopulär geworden ist, politisch gesehen ist das ein Rückschlag. Dennoch sind wir nach wie vor der Ansicht, daß wir in diese Techniken so viel investieren müssen, daß sie schon bald eine dominierende Rolle in unserer Energieversorgung spielen können. Aber das muß auf eine völlig andere Art und Weise geschehen.

Auf welche?

Der Schwerpunkt sollte darin liegen, die Bürger und ihre Kommunen in diese Projekte einzubeziehen. Wir denken also an kleine und mittelgroße Anlagen, die von Dörfern errichtet werden könnten oder von Genossenschaften in einer Stadt. Diese Branche darf nicht von den großen Konzernen beherrscht werden.

Es gibt zur Zeit viele Proteste gegen Großprojekte. Die Menschen wehren sich gegen das, was mit ihren Dörfern und Inseln geschieht, ohne daß sie gefragt worden wären. Unser Ziel ist es, daß aus diesem Widerstand Initiativen entstehen, die die örtliche Stromversorgung in die eigenen Hände nehmen. Wir sehen in den erneuerbaren Energieträgern nicht nur einen Weg, umweltfreundlich Strom zu erzeugen, sondern auch die Möglichkeit, zu demokratischeren Formen in der Wirtschaft zu kommen.