Am 25.5.2013 veröffentlichte die „Linke Zeitung“ eine Rezension des jüngsten Buches von Petra Wild „Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina. Der zionistische Siedlerkolonialismus in Wort und Tat“ (http://www.linkezeitung.de/index.php?option=com_content&view=article&id=15994:apartheid-und-ethnische-saeuberung-in-palaestina-von-petra-wild&catid=44&Itemid=311#comments). Darauf reagierte der Leser „Klopp“ wie folgt:
„Ethnische Säuberung im Kaukasus,finde seit Jahren nicht ein bericht oder eine Anmerkung,was seid ihr denn für Neo linke Mainstream typen ?
Liegt das daran dass ihr große Sympathie mit Russland habt ?? Genau so mit China, deren Massenmorde an Minderheiten werden nicht erwähnt.
Ich schreibe solche Kommentare schon ne Ewigkeit, und wenn euch Gerechtigkeit liebenden Menschen nichts an den liegt sagt es lieber so..
Wenn euch die Informationen fehlen darüber was im Kaukasus geschah & Geschieht,kann ich euch gerne helfen. Peaace“
Klopp hat natürlich völlig recht, wenn er darauf hinweist, dass Unterdrückung von Minderheiten oder überhaupt anderen Ethnien keineswegs nur in Palästina stattfand und findet. Viele Regionalspezialisten könnten weitere Beispiele nennen, von den Sahrauis in der ehemals spanischen Westsahara über indigene Ethnien in den beiden Amerikas, den Karen und anderen Minderheiten in Myanmar und eben bis hin zum Kaukasus oder der VR China. Warum also die nicht zu leugnende relative Konzentration auf Palästina/Israel?
Bei nicht wenigen „Freunden“ des palästinensischen Volkes mögen die unterschiedlichsten tiefsitzenden und oft verborgenen Motive eine Rolle spielen. Ungeachtet dessen gibt es aber eine Reihe sehr naheliegender und überaus legitimer Gründe dafür, dass der dortige nationale Konflikt gerade auch in Deutschland sehr im Fokus des Interesses der widersprüchlichsten politischen Kräfte steht.
Für die Rechte, traditionell die Träger des einst religiösen und seit dem 19. Jahrhundert zunehmend rassistisch begründeten „Antisemitismus“, ist die Solidarität mit dem zionistischen Israel gleichermaßen ein wohlfeiles Manöver, um ihre tragende Rolle bei allen antisemitischen (genauer „antijüdischen“) Untaten mit dem Holocaust als absolutem Tiefpunkt zu verschleiern und dabei faktisch strategische Interessen des Imperialismus in dieser instabilen aber ressourcenreichen Region zu fördern.
Die Linke in Deutschland wurde in der Zeit des Faschismus weitgehend aufgerieben und war so flankiert vom Opportunismus des stalinistischen Ostblocks und zutiefst und zu Recht aufgewühlt von der Erfahrung des Holocausts zum Zeitpunkt der zionistischen Staatsgründung nicht mehr in der Lage, die grundlegend antizionistische, weil antinationalistische Haltung der marxistischen Tradition zu rezipieren und aufrechtzuerhalten. Stattdessen unterwarf sie sich der nationalistischen wenn nicht gar rassistischen Idee von der „Kollektivschuld“, durch die die Initiatoren und primären Nutznießer der nazistischen Barbarei die dummen Mitläufer und gar Gegner hinter sich in einer neuen – nunmehr „demokratischen“ deutschen „Volksgemeinschaft“ versammeln konnten. In Hinblick auf Israel konnten die derart verblendeten Linken ihr Gewissen beruhigen, indem sie die Bedeutung solcher „sozialistischer“ – nur scheinbar, weil in Wahrheit gleichzeitig „rassistischer“ – Kolonialinstitutionen wie der Kibbuzim weit übertrieben. Erst die Krise der 60er Jahre und mit ihr die – wie auch immer geartete – Rückbesinnung auf revolutionär-sozialistische Traditionen und Gedanken brachte einen bis dahin in dieser Tiefe nicht gekannten Bruch eines Teils der Jugend mit den ideologischen Gegebenheiten des Nachkriegdeutschlands hervor. Da die „Freundschaft“ Deutschlands zu Israel aus den erwähnten Gründen eine zentrale Forderung des in der BRD herrschenden Blocks war (und ist), war es unvermeidlich, auch damit zu brechen. Nachdem es in der BRD aus naheliegenden Gründen keine verordnete Freundschaft mit den Tschetschenen, den Uighuren, Tibetern, Karen oder irgendwelchen Indios im Amazonastiefland gab, hätte es außer allgemein humanitären Erwägungen wenig Sinn gemacht, sich schwerpunkmäßig damit zu beschäftigen.
Welche Bedeutung für die Aufrechterhaltung oder gar Schaffung eines revolutionär-sozialistischen und somit internationalistischen und antirassistischen Bewusstseins die Ablehnung des Zionismus als einer nationalistischen Falle für die Juden der Welt nach wie vor hat, zeigt der ideologische Verrottungsprozess eines Teils ehemaliger Linker in der BRD, die unter dem Namen „Antideutsche“ (in der PDL in der BAK Shalom organisiert aber ideologisch bis hinein in reformistische Führungszirkel wirksam) mit dem Schwert des „Prozionismus“ gegen eine marxistische Kritik am Kapitalimus auf seiner höchsten Stufe, sprich: Imperialismus, fechten.
Eine ernsthafte und damit legitime Kritik am Zionismus ist eine grundlegende Kritik am Rassismus, weil der Zionismus von der Existenz eines weltweit verbreiteten „jüdischen Volkes“ ausgeht, das als solches vermeintlich aus Palästina stammt, und daraus die Rechtfertigung für seinen Anspruch auf dieses Land und damit für die Vertreibung und Unterdrückung der indigenen Bevölkerung ableitet. Dieses jüdische Volk ist aber nicht durch gemeinsame Sprache verbunden und, wie schon die Areligiosität einer Vielzahl gerade europäischer Juden zeigt, die die Gründungsväter der zionistischen Bewegung und ihres Staates Israel waren, auch nicht durch eine gemeinsame Religion. Gilt insbesondere für europäische Juden die Erfahrung der Unterdrückung ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft und religiösen Überzeugung als ausreichender Grund sich dennoch als „Juden“ zu definieren, weil sie eben von den Antisemiten so definiert und verfolgt wurden, so trifft das auf andere jüdische Gruppen, gerade auch orientalische, keineswegs zu. Diese definierten sich und wurden von ihrer nicht-jüdischen Umwelt stets als religiöse Gemeinschaft definiert. Um es konkret zu machen: was verbindet einen norwegischen atheistischen oder zum Christentum oder Buddhismus konvertierten Juden mit einem orthodoxen Juden aus dem Jemen oder aus Äthiopien? Weder Sprache noch Religion noch rassistische Unterdrückung oder auch nur die konkrete Gefahr antisemitischen Rassismus’ (das gilt zumindest bis zur Gründung Israels). Der Zionismus, der als „Jude“ den definiert, der eine jüdische Mutter hat und ihn damit automatisch zum Anwärter auf die Staatsbürgerschaft in Israel macht, was den bis zur Staatsgründung eben dort gelebt habenden arabischen Bewohnern verwehrt ist sobald sie der zionistischen Vertreibungspolitik gewichen sind, ist somit nur das Spiegelbild des europäischen antisemitischen Rassismus und hat den Juden außerhalb Europas dieses Bewusstsein aufgedrängt und teilweise mit Gewalt aufgezwungen (z.B. durch von zionistischen Agenten unter dem Deckmantel „arabischer Nationalisten“ durchgeführter Bombenanschläge im Irak und in Ägypten oder durch die praktische Zusammenarbeit mit dem deutschen Faschismus, der sich solange das möglich war, der hiesigen Juden durch deren Vertreibung nach Palästina entledigen wollte).
Der Kampf gegen den Zionismus ist in Deutschland und überhaupt in den imperialistischen Ländern nicht deshalb so wichtig, weil das Los der Palästinenser im Vergleich zu dem vieler anderer Völker so besonders unerträglich wäre. Er ist vielmehr ein Mittel, an einer – nachvollziehbar – besonders emotional besetzten und seitens des Imperialismus mit großen strategischen Interessen verbundenen ideologischen Front die Grundlagen von Internationalismus und Antirassismus auszuarbeiten und zu verteidigen. Dass dieses Mittel auch von „linken“ Antizionisten nicht immer adäquat genutzt wurde und wird, ist eine andere Frage.