30.7.2013, Rechtsanwalt Binder: Besuch wurde verwehrt

Die Abschiebung von acht Votivkirchen-Flüchtlingen nach Pakistan lässt die Wogen weiter hochgehen. So ortet deren Rechtsvertreter Lennart Binder Versäumnisse. Er erhebt auch schwere Vorwürfe gegen die Polizei.

Binder wollte die Abschiebekandidaten besuchen, sei allerdings von der Polizei hingehalten worden, so der offizielle Rechtsvertreter der Pakistaner in einem Video auf YouTube. Es seien rund 200 Polizisten gekommen, die die Demonstranten in eine Sackgasse, in einen Kessel geführt hätten. Er habe gesehen, wie die „Leute handgreiflich abgeführt wurden“, so Binder in dem Video weiter. Auch er sei von zwei Beamten in die Sackgasse geführt worden. Er habe verlangt, den Diensthabenden zu sprechen, das sei aber abgelehnt worden.

„Die Leute wurden um ihre Fristen gebracht“

Es habe auch kein asylrechtliches rechtstaatliches Verfahren stattgefunden, so Binder in dem Video. „Die Leute sind um ihre Fristen gebracht worden.“ Sie seien betrogen worden. Nach dem Protestmarsch von Traiskirchen nach Wien sei Asylsuchenden die Rückkehr nach Traiskirchen verweigert worden, deshalb hätten sie Fristen versäumt, so Binder weiter. Bescheide seien nicht zugestellt bzw. in Traiskirchen hinterlegt worden.

Auch seien die Beschwerden durch damaligen Rechtsberater nicht gemacht worden. Es habe außerdem keine einzige Verhandlung vor dem Asylgerichtshof stattgefunden. Es sei auch nie zur Debatte gestanden, wie die Länderberichte aussahen. Die Asylsuchenden hätten nie die Gelegenheit gehabt, ihre eigene Geschichte darzustellen.

Polizei: Abschiebungen noch nicht abgeschlossen

Die Abschiebungen mehrerer Flüchtlinge sind laut Polizei „noch nicht vollständig abgeschlossen“. Man erwarte auch noch weitere Demonstrationen, hieß es bei der Exekutive am Dienstag auf APA-Anfrage. Genaue Zahlen, wie viele Personen bereits abgeschoben wurden und wie viele es noch sein werden, gab es vorerst nicht.

Weitere zwölf Flüchtlinge im Servitenkloster, die sich derzeit täglich bei den Behörden melden müssen, können derzeit gar nicht abgeschoben werden. Der Grund: Die pakistanische Botschaft in Österreich hat für sie noch keine Heimreisezertifikate ausgestellt. Das könnte allerdings in den kommenden Tagen geschehen, befürchtet man bei den Betroffenen.

Video: Ein Vorfall, zwei Versionen

Unterdessen sorgt auch ein Video vom Protest gegen die Abschiebung in Sozialen Netzwerken für Empörung. Dabei ist zu sehen, wie ein Polizist eine Frau offenbar stößt und sie dann mit dem Kopf auf eine Stufe prallt. Ein Sprecher der Polizei bestätigte den Vorfall gegenüber wien.ORF.at. Er werde untersucht.

Die Frau sei in Richtung Roßauer Lände gelaufen, der Polizist in die andere Richtung, so der Polizeisprecher. Dabei seien die beiden im Schulterbereich zusammengestoßen, worauf die Frau zu Boden gefallen sei, so der Sprecher weiter. Die Frau habe das Angebot des Beamten abgelehnt, die Rettung zu rufen, und auch ihren Namen nicht gesagt. Sie sei aufgestanden und weggegangen, so der Sprecher. Gegen den Polizisten wurde am Dienstag Anzeige erstattet – mehr dazu inoesterreich.ORF.at.

Küberl: Einige Probleme

Auch am Montag brach die Kritik an der Abschiebung nicht ab. Die Caritas, die für die Unterbringung der nun noch knapp 40 großteils aus Pakistan stammenden Flüchtlinge im Ausweichquartier Servitenkloser verantwortlich zeichnet, zeigte kein Verständnis für das Vorgehen des Innenressorts. Angesprochen auf viele andere Fälle von Abschiebungen nach Pakistan, an denen keine Kritik geübt werde, verwies Caritas-Präsident Franz Küberl im ZIB2-Interview darauf, dass es in diesen konkreten Fällen „einige Probleme gegeben“ habe – mehr dazu inreligion.ORF.at.

Zuvor hatte sich die Volkshilfe empört über die Abschiebungen gezeigt. Die Katholische Aktion übte ebenfalls heftige Kritik und verlangte eine Änderung des Asylgesetzes. Kardinal Christoph Schönborn will sich weiter für die pakistanischen Flüchtlinge einsetzen, wie er am Dienstag im Ö1-Interview sagte – mehr dazu in oe1.ORF.at.

FPÖ und Grüne bekräftigen Positionen

Die Grünen schlossen sich der Kritik der Kirche an. Menschenrechtssprecherin Alev Korun hatte an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) appelliert, die Abschiebung zu stoppen und die acht Pakistaner auf freien Fuß zu setzen. „Gefährdete Menschen dürfen keine Punktbringer in einer Wahlkampagne sein“, so Korun.

Die FPÖ heftete sich die Festnahmen quasi auf ihre Fahnen. „Auf Druck der Freiheitlichen scheint der Rechtsstaat letztlich doch noch zu siegen“, hieß es in einer Aussendung am Sonntag. Wiens FPÖ-Klubchef Johann Gudenus meinte, die Festnahmen könnten „wohl nur der Anfang sein“: „Alle Illegalen sind natürlich wie gesetzlich vorgesehen umgehend in ihre Heimat abzuschieben.“

Innenministerium weist Vorwürfe zurück

Innenministerium und Polizei wiesen erneut Vorwürfe zurück, wonach die Abschiebung – wie von manchen Kritikern angemerkt – ein wahltaktisches Manöver der ÖVP sei. Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl sagte bei einem Hintergrundgespräch, solche Behauptungen seien „aus der Luft gegriffen“. Es habe zur Abschiebung keine Alternative gegeben, so Pürstl. Man habe gehofft, dass die Betroffenen das Land freiwillig verlassen. Da das nicht geschehen sei, habe man zu einer zwangsweisen Durchsetzung kommen müssen.

Einen Zusammenhang mit dem laufenden Wahlkampf sieht der Polizeipräsident nicht. Der Zeitpunkt der Abschiebung ergebe sich daraus, dass vorige Woche die pakistanische Botschaft Heimreisezertifikate ausgestellt habe, also anerkannt habe, dass die Betroffenen Bürger des Landes seien.

Mikl-Leitner: Ermessensspielraum ausgeschöpft

Mikl-Leitner hatte bereits zuvor die Abschiebung verteidigt. Das Bundesasylamt und der unabhängige Asylgerichtshof entschieden nach objektiven Kriterien, ob Asylgründe vorlägen oder nicht. In den aktuellen Fällen seien alle Ermessensspielräume ausgeschöpft, „und die Behörden sind verpflichtet, fremdenpolizeilich zu handeln“, so Mikl-Leitner.

Von ihrer Möglichkeit, eine Abschiebung zu stoppen, habe sie noch nie Gebrauch gemacht und mache das auch in diesem Fall nicht. „Das würde als politische Einmischung verstanden werden.“ Man müsse sich auf die unabhängigen Behörden verlassen.

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