Irene Brickner (15.9.2013): Cobra-Einsatz in Schubhaft – „Kommunikative Fehler“

Vor dem harten Cobra-Einsatz gegen einen Iraner in der Familienschubhaft versuchte ein Linzer Pastor vergebens, die Eskalation abzuwenden. Die Polizei habe auch auf seine Bitten nicht reagiert

Wien – Dem Cobra-Einsatz mit Intensivstationsfolgen gegen den Iraner Mohammad Reza K. (47) in der Familienschubhaft in der Wiener Zinnergasse gingen längere telefonische Vermittlungsversuche von Nader Chaharlangi voraus, einem leitenden Pastor der Linzer Iranischen Christengemeinde. Im STANDARD-Gespräch erinnert er sich an das Scheitern seines Deeskalationsversuchs.
Herrn K. kenne er aus Linz, wo die Familie bis Juli gelebt hatte. Als Freikirchenmitglieder seien sie Teil der Gemeinde gewesen. Am 29. Juli habe ihn K. aus der Zinnergasse am Handy angerufen, wo die Familie bis dahin im gelinderen Mittel war: Die Fremdenpolizei habe eben mitgeteilt, dass die Rückschiebung nach Italien am nächsten Morgen geplant sei.
„K. bat mich, mit den Polizisten zu sprechen, ob nicht doch ein Aufschub bis nach dem Operationstermin seiner Frau möglich wäre, der für den übernächsten Tag angesetzt war“, sat Chaharlangi: K.s Ehefrau, Shabnam J. (44), litt an einer massiven Vergrößerung der Schilddrüse; inzwischen hat sie die OP hinter sich.

Eskalation der Situation

„Ich schlug dem Fremdenpolizisten vor, einen Arzt zu rufen, um Frau J. zu untersuchen. Er antwortete, Herr K. müsse erst in die Schubhaft gehen. Das richtete ich diesem aus, doch er sagte, dann würde kein Arzt kommen. Die Polizei wisse ohnehin von der geplanten OP. Ich bat den Polizisten nochmals um Aufschub. Er erwiderte, Herr K. begehe Widerstand gegen die Staatsgewalt, so er nicht in die geschlossene Abteilung komme“ , schildert Chaharlangi.
Nach Ende des Telefonats eskalierte die Situation, laut Polizeikreisen weil K. seine Frau, mit einem Messer in der Hand, als Geisel nahm. Daher habe man die Cobra holen müssen. Dem widerspricht Mohammad K.: Messer habe er keines gehabt, der Sondereinheit-Einsatz, im Zuge dessen er einen Nasenbeinbruch und Schädelprellungen erlitt, sei grundlos erfolgt. Die Fremdenpolizei sei sehr zornig auf ihn gewesen.

Parlamentarische Anfrage geplant

„Kommunikativ hat die Fremdenpolizei alles falsch gemacht“, kommentiert Heinz Patzelt, Generalsekretär vom Amnesty in Österreich, den inzwischen bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängigen Fall. Er ortet Menschenrechtsverstöße: „Die Durchsetzung einer bürokratischen Anordnung wie ein Rückschiebeauftrag darf nicht auf Kosten eines bevorstehenden wichtigen OP-Termins gehen.“
Zudem zeige der Fall erneut „die Absurditäten des EU-Dublin-II-Systems“, ergänzt Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun. Nur wegen diesem müssten die K.s nach Italien, „dabei könnte ihr Asylverfahren in Österreich stattfinden“. Korun plant eine parlamentarische Anfrage. (Irene Brickner, DER STANDARD, 14./15.9.2013)