Griechenland – Ehre dem Antifaschisten Pavlos Fyssas! Zerschlagt die faschistische Goldene Morgenröte!

 Griechenland: Pavlos Fyssas (bekannter Rapmusiker „Killah P.) bei Piräus von Neofaschistem erstochen (Wilfried Hanser)

In der Nacht von Dienstag, den 17.9., auf Mittwoch, den 18.9., ist Pavlos Fyssas in Keratsini bei Piräus von einem Anhänger der neofaschistischen Partei „Chrysi Avgi“ (Goldene Morgendämmerung oder Goldene Morgenröte) erstochen worden.
Er war antifaschistischer Rapmusiker und bekannter unter dem Namen „Killah P.“
Weitere Einzelheiten:
http://www.griechenland.net/
http://www.theguardian.com/world/2013/sep/20/greece-foreboding-violence-flares-streets
http://www.theguardian.com/world/2013/sep/19/greek-prime-minister-golden-dawn
http://www.theguardian.com/commentisfree/2013/sep/19/golden-dawn-europe-greek-cypriot

Die griechische Strömung „Kokkino“ (Rot), die Teil von Syriza ist, hat am 18. September das folgende Kommuniqué herausgegeben und eine Übersetzung ins Französische veröffentlicht.

Entweder zerschlagen wir den Faschismus – oder er wird uns zerschlagen

Kommuniqué von Kokkino (Rot) zur Ermordung von Pavlos Fyssas durch die Neonazis von Chrysi Avgi

Die kaltblütige Ermordung des 34 Jahre alten Pavlos Fyssas durch Neonazis von Chrysi Avgi (Gol­dene Morgendämmerung) ist der Anfang eines völlig neuen Abschnitts in der Vorgehensweise der Faschisten. Nach dem verbrecherischen Angriff auf Mitglieder der Kommunistischen Partei in Perama[1] vor einigen Tagen ist die Ermordung des Antifaschisten Pavlos Fyssas eine offene Kriegserklärung der Faschisten an die Linke und die Arbeiterbewegung. Die Mitglieder von Chrysi Avgi geben sich nicht mehr mit der Kaiadas-Logik[2] zufrieden, also damit, auf die schwächsten Schichten der Gesellschaft abzuzielen (die Migrant_innen, die Homosexuellen usw.), sie gehen jetzt dazu über, ihren natürlichen Feind zur Zielscheibe zu nehmen: die Arbeiterbewegung und die Jugend sowie die Linke.

Die scharfe Eskalation der faschistischen Gewalt kommt keineswegs zufällig und spontan, denn sie geschieht in einer Periode zunehmender Streikkämpfe gegen die Memoranden, verstärkten Einflusses der Linken und mitten in einer Zeit, in der die Regierung sich offensichtlich in einer Sackgasse befindet. Chrysi Avgi zielt eindeutig auf die Zerschlagung der Arbeiterbewegung und der Linken ab, um damit dem Unternehmerlager (den Kapitalisten, den Bankern, der Troika) ihre Nützlichkeit unter Beweis zu stellen und ihr volles Vertrauen zu gewinnen. Die Armee von Mordgesellen und Unterwelt­gestalten, die Kasidiaris[3] vor einigen Tagen in Meligalas[4] angeführt hat, ist bereit zu handeln und zu beweisen, dass sie zu etwas von Nutzen ist. Und ihre Nützlichkeit beschränkt sich nicht auf Morde und Angriffe auf die Linke, sie versucht außerdem, den Regierenden zu beweisen, dass sie auf die Neonazis zählen können, wenn es um Abschreckung oder auf die Destabilisierung oder den Sturz einer Linksregierung geht. In diesem Sinne äußern sich in diesen Tagen „renommierte“ Journalisten, bei denen von notwendiger Zusammenarbeit der „konservativen Kräfte“ und von Chrysi Avgi die Rede ist, um eine Linksregierung zu verhindern.

Die scharfe Eskalation muss die Alarmglocken erklingen lassen und eine entschiedene Wende im antifaschistischen Kampf der Linken und der Arbeiterbewegung einleiten. Wir müssen jetzt verstehen, dass der Antifaschismus keine zweitrangige Kampffront neben allen anderen ist und dass der Kampf gegen den Faschismus nicht automatisch durch den Kampf gegen die Memoranden bestritten wird. Im Gegenteil, die Austerität und die Memoranden werden nicht zu Fall zu bringen sein, wenn sich nicht parallel der antifaschistische Kampf entwickelt, denn der Aufstieg der faschistischen Rechten stützt sich genau hierauf: auf die Beibehaltung des Status quo und die Interessen des Kapitals. Es gilt, zuerst und vor allem mit den Illusionen in die institutionelle Auseinandersetzung mit dem Faschismus Schluss zu machen, sei es über ein Bündnis aller Teile des „Verfassungsbogens“, sei es über den Staatsapparat. Es kann kein Bündnis mit Kräften geben, die nicht nur eine brutale Politik der Austerität und des Rassismus betreiben und damit Chrysi Avgi stärken, sondern vielfach auch deren terroristisches Vorgehen gegen die Arbeiterkämpfe gutheißen. Ebenso kann sich der antifaschistische Kampf nicht mehr auf Druck auf die staatlichen Institutionen beschränken, die tätig werden sollen. Die Polizei ist dermaßen stark von den Faschisten unterwandert, dass es inzwischen nicht nur einen üblen Scherz darstellt, ihr die Verteidigung gegen die faschistischen Angriffe übertragen zu wollen, sondern eine gefährliche Illusion, die für die Bewegung und ihre Angehörigen schmerzhafte Folgen haben kann.

Am wichtigsten ist jedoch der Aufbau einer Einheitsfront der Linkskräfte (Syriza, KKE, ANTARSYA), der Arbeiterorganisationen, der Jugend- und antifaschistischen Bewegungen gegen den Faschismus, um überall die antifaschistischen Aktivitäten zu entwickeln und zu koordinieren. Das Sektierertum, die Haltung, die Wahrheit für sich alleine gepachtet zu haben, der Fatalismus müssen sofort aufhören, sonst besteht die ernste Gefahr, dass die tragischen Fehler der Vergangenheit wiederholt werden. Und es ist notwendig, in jedem Stadtviertel und jedem Betrieb Selbstverteidigungsgruppen zu bilden, um die mörderische faschistische Gewalt einzudämmen und allen in der Bewegung, den Migrant_innen und allen Opfern der Angriffe der Neonazis Sicherheit zu bieten. All diese Bemühungen müssen zentral koordiniert werden, damit die wichtigsten Aktivitäten der Bewegung geschützt werden können.

Athen, Mittwoch, den 18. September 2013

Aus dem Französischen übersetzt von Wilfried Dubois

http://www.kokkino.org/index.php?option=com_content&view=article&id=2610:soit-nous-ecraserons-le-fascisme-soit-il-nous-nous-ecrasera-&catid=31&Itemid=53


[1] Vorort von Piräus mit Hafenanlagen; Chrysi Avgi versucht dort, Gewerkschaften zu bilden.

[2] Kaiadas ist der Name eines westlich von Sparta gelegenen Abgrunds, in den die Spartaner schwache und behinderte Klein­kinder sowie Kriminelle, Verbrecher und Kriegsgefangene geworfen haben sollen.

[3] Ilias Kasidiaris ist Pressesprecher von Chrysi Avgi und seit Mai 2012 Abgeordneter.

[4] Ortschaft in Messenien auf der Halbinsel Peloponnes (nicht weit entfernt von Kalamata), wo jährliche antikommunistische Gedenkveranstaltungen der extremen Rechten im Zusammenhang mit Ereignissen des Zweiten Welt- und Bürgerkriegs statt­finden.

—————————————————————————-

RKOB, 21.9.2013: Griechenland – Ehre dem Antifaschisten Pavlos Fyssas! Zerschlagt die faschistische Goldene Morgenröte!

———————-

RCIT, 21.9.2013: Greece – Honor Pavlos Fyssas! Smash the fascist Golden Dawn!

—————————————————————————–

A&O, 18.9.2013: Griechenland – Meuchelmord an einem Künstler und politischen Kämpfer + ORF-Text

Nach einem brutalen Angriff auf plakatierende KKE-Genossen in der (traditionell kommunistischen) Industriestadt Pérama (in der Nähe von Piräus bei Athen) letzte Woche ist nun heute ein Rap-Sänger, der bei Antarsya aktiv war und Mitglied der Metallarbeitergewerkschaft, von Chryssi Avji-Leuten unter duldender Assistenz der Polizei kaltblütig erstochen worden.  Im letzten Augenblick nahm eine Renommierbullin dem (mutmaßlichen) Mörder ostentativ das Messer aus der Hand. Sie hätte es in ihn genausogut hineinstechen können, es macht keinen Unterschied.

Dies ereignete sich in Keratsíni, einem Bezirk, der zwischen Perama und Piräus gelegen ist und der dafür bekannt ist, daß harte Kämpfe der kommunistischen Partisanen gegen die Naziinvasoren  in einer der letzten Phase der Besatzung einen wesentlichen Beitrag für den Abzug der Völkermörder geleistet haben. Die Gegend hat eine große kommunistische Tradition, eine große Tradition des Arbeiterbewußtseins. Unter anderem wurde damals das dortige Elektrizitätswerk verteidigt, das die Nazis zusammen mit anderen wichtigen Industriebetrieben im Rahmen der Taktik der Verbrannten Erde dem Erdboden gleichmachen wollten.

Jetzt versuchen die Nazis der Goldenen Morgendämmerung durch Fememorde, Meuchelmorde eine neue Taktik der Verbrannten Erde. Nachdem nun ja ohnehin zahlreiche Fabriken und Betriebe bereits öde und leer stehen oder ins Ausland verlagert wurden, also die Kapitalisten die Erde verbrannt haben, wollen die Nazis durch immer schneller zugreifende Mordaktionen die Gesellschaft verbrennen, eine  gesellschaftliche Verwüstung anrichten, wollen eine Einöde, eine Wüste auch in der Gesellschaft herstellen – wie im Krieg. Eine Art Samson-Option.

Es ist erstaunlich, daß sich bis jetzt die Linke noch nicht auf höherer Stufe auf Straßenkämpfe eingelassen hat. Wer läßt sich, populär gesprochen, das alles auf die Dauer gefallen?  Es ist sehr wahrscheinlich, daß eine solche Eskalation gewollt ist, ähnlich wie Sharon mit seinem Auftritt auf dem Tempelberg eine neue Intifada heranlocken wollte (so wie ein Vorstadtschläger jemanden Unvorsichtigen an sich heranlocken will), und daß mit der damit verbundenen Möglichkeit der Kriminalisierung der (aufgescheuchten) Linken ein Ausnahmezustand hergestellt werden kann, der zur erwünschten gesellschaftlichen Friedhofsruhe führt. Sehr wahrscheinlich, daß dieser Mordanschlag, der ausgerechnet zum Höhepunkt der bedeutenden Streiks des laufenden Jahres stattfindet, bewußt placiert wurde.

Wie im Krieg? Krieg ist schon, und besonders in der Desinformation. Ein Streit anläßlich eines Fußballspiels sei ausgeartet, so wird der Anlaß relativiert und entpolitisiert, andere Zeugen berichten aber von einem unmittelbaren Angriff ohne einen solchen irrelevanten Anlaß. Die englische Ausgabe der extrem regierungskonformen und kapitaltreuen Tageszeitung Kathimeriní betet das vor und deutschsprachige Zeitungen, die meist ohnehin nichts kennen, als den in Griechenland auf englisch verbreiteten Mainstream, quaken es nach, so der Spiegel. So wird suggeriert, es seien ja eh alles Streithanseln. Die sollten das doch „unter sich“ ausrichten, wird suggeriert. Die einen sind wie die anderen. Damit werden die gesellschaftlichen „Extremismen“ gleichgesetzt.

Derzeit finden in mindestens zwanzig Städten Griechenlands Protestdemonstrationen statt. In Chania (Kreta) kam es zu harten Auseinandersetzungen mit der Polizei, die die örtlichen Büros der Faschisten schützte, vor denen der Protestzug stehengeblieben war, um gegen das Mlrderpack zu demonstrieren.

Die Linke organisiert sich immer stärker, rückt immer mehr zusammen. Der Kampf gegen den Faschismus ist zu einem zentralen Element der Kämpfe der Arbeiterschaft und der Arbeitslosen geworden, der laufenden riesigen Streiks. Keine Trennung zwischen antifaschistischen Fachidioten und Spezialisten der Arbeiterbewegung!

Letzte Woche kamen nur ein paar Kommunisten ins Krankenhaus – der 34-jähruige Pavlos Fyssas aber verendete dort an seinen Verletzungen.

Die Situation in Griechenland ist derart „angespannt“, daß sogar die PASOK, das verächtlichste Gebilde unter allen Parteien, insofern als sie die Bevölkerung verraten hat wie keine andere, jetzt fordert, daß die Chrissí Avjí zur kriminellen Organisation erklärt wird, und der Chef der Dimar (der Demokratischen Linken) die Goldene Morgendämmerung als „das absolut Böse“ bezeichnete. Das eine spät, das andere großmäulig.

Hat nicht die Pasok die Massenverelendung mitgetragen? Hat nicht Dimar, z. T. eine Abspaltung von Syriza, durch ihre Regierungsteilnahme die Massenverelendung und den autoritären Staat mitvorangetrieben? Aber sogar in der Pasok rumort es ein wenig! Einige wollte auf dem letzten Parteitag umschwenken und mit Syriza koalieren. Was sagt man dazu?

Die europäische Linke hat sich zu bewegen, denn es ist ihre Sache, ihre ureigene Sache!

Sie hat ein Zeichen der Solidarität mit allen antifaschistischen Kämpfern und Kämpferinnen zu setzen und ein Zeichen des Protests gegen die mordende Troika und die mordenden Nazis, und dieses Zeichen sollte vor allen griechischen Konsulaten und Botschaften stattfinden!

————————————————————

ORF, 18.9.2013: Mord an griechischem Linksaktivisten schockiert Athen

Die Ermordung eines linksgerichteten Musikers durch einen Rechtsextremisten in Athen hat die politischen Spannungen in Griechenland verschärft. Der militante Antifaschist und Sympathisant der linken Gruppierung Antarsia wurde in der Nacht auf heute im Vorstadtbezirk Keratsini erstochen, wie die Polizei mitteilte.

Ein Mitglied der fremdenfeindlichen Neonazi-Partei Goldene Morgenröte bekannte sich zu der Tat. Ein neuer Generalstreik legte das Land teilweise lahm.

Streit über Fußball endete in Gewalt

Bei dem Opfer handelt es sich laut Polizei um Pavlos Fryssas; der 34-jährige Hip-Hopper erlag im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Örtlichen Medien zufolge war er gegen Mitternacht vor einem Lokal in einen Streit über Fußball geraten, der sich dann zu einer Auseinandersetzung über politische Themen entwickelte.

Antarsia sprach von einem Racheakt aufgrund Fryssas’ „antifaschistischen Engagements“ und rief für den Nachmittag zu Protesten am Tatort und im ganzen Land auf. Nach Angaben der „Vereinten Front gegen Faschismus und rassistische Bedrohung“ war der Musiker in einen „Hinterhalt“ geraten und wurde zusammen mit anderen Gesinnungsgenossen von rund 40 schwarz gekleideten Neonazis mit Knüppeln angegriffen.

Täter geständig

Der mutmaßliche Täter, der bei seiner Festnahme ein Messer bei sich trug, bekannte sich zu der Tat und gab laut Polizei zu, Mitglied der Goldenen Morgenröte zu sein. Die rechtsextreme Partei stritt jede Verwicklung in die Tat ab, die „politisch instrumentalisiert“ worden sei. Die Regierung in Athen verurteilte den Mord und kündigte nicht näher erläuterte Maßnahmen an, damit sich derartige Übergriffe nicht wiederholten.

Schon am Freitag waren bei gewaltsamen Zusammenstößen in der Vorstadt von Athen acht Mitglieder der kommunistischen Partei KKE verletzt worden. Auch dafür wurden Anhänger der Goldenen Morgenröte verantwortlich gemacht.