Komitee Solidarität mit dem Widerstand in Griechenland
Der Mord an Pavlos Physsas entstand nicht etwa aus spontaner Wut oder aus Versehen oder gar durch jemanden, der mit der neonazistischen Organisation „Goldene Morgendämmerung“ nichts zu tun hätte. Mit seinen antifaschistischen Liedern, die er als integralen Bestandteil des antifaschistischen Kampfes verstand, war Pavlos Physsas eindeutig zum – zu bekämpfenden und zu vernichtenden – Feindbild der griechischen Nazis geworden. „Sie hatte ihn im Visier“, berichtet ein Aussteiger gegenüber der Tageszeitung Ethnos. Der Mord war geplant. Was ihn „im Visier“ hatte, das war eine Organisation mit durchgehend militärischen Charakteristika, die der Polizei und dem Militär den Raum streitig macht und gleichzeitig mit ihnen kollaboriert In diesem Sinne eine paramilitärische Organisation, so wird sie auch vom Aussteiger definiert. Der Täter hatte eine genau definierte Funktion innerhalb der Maschinerie. Er gehörte einem fünfköpfigen obersten Entscheidungsorgan, einem „Beirat“ an, war die Rechte Hand des Orts(gruppen)führers und praktisch dessen Stellvertreter. Es herrscht eine strenge Hierarchie und eine präzise, verbindliche Befehlskette. Die politische sowie militärische Kommandozentrale befindet sich mit ihrem Büro und ihrem Waffenlager in der Stadt Níkea (Níkaia), die zum Regionalbezirk Piräus gehört. Nikea ist 4 km nördlich von Piräus zwischen Keratsini und Korydallos am Fuße des Berges Egáleo gelegen. Es ist eine westliche Vorstadt von Athen und Piräus, mit denen es siedlungsmäßig zusammengewachsen ist (Wikipedia). Die Kommandozentrale wird von Jiórgos Patélis geleitet. Patélis ist der Verantwortliche für Níkaia. Im Beirat sitzen die Getreuen von Patélis, brutale Schlägertypen, die laut unserem Gewährsmann sich regelmäßig mit künstlich aufputschen.
Von dieser Kommandozentrale gehen die Angriffe auf MigrantInnen und sonstige Aktionen aus! Dort befindet sich auch ein Waffenarsenal, bestehend aus Stangen, Dolchen und Prügeln, „die schnell weggeräumt werden“, wenn eine Kontrolle durch die Polizei bevorsteht, berichtet das ehemalige Mitglied der Goldenen Morgendämmerung. „Wenn wir unsere Waffen verstecken müssen, lagern wir sie im Auto von Patelis oder in der Wohnung seiner Mutter.“ heißt es weiter. Kein Wunder, daß sie von Razzien immer schnell Wind bekamen, denn im örtlichen Polizeirevier saß ein Bulle, der Mitglied der Goldenen Morgendämmerung war. Der war ihnen sozusagen dienstlich behilflich. Patelis wiederum war der Führung des Parlaments-Abgeordneten Lagós unterstellt, und der wieder dem obersten Führer Michaloliákis. Von ihm mußte die allerletzte Absegnung kommen, dann konnte die jeweilige Aktion starten. Die Befehlskette bewährte sich auch diesmal. Einige wenige Faschisten hatten eine antifaschistische Gruppe, in der sich Pavlos Physsas befand und die sich in einer Cafeteria aufhielt, ausgemacht und beobachtet und von diesem Lokal aus wurde dann, wie Augenzeugen berichten, Patélis über die Lage in Kenntnis gesetzt. Bei dem Überfall traten mehrere faschistische Teilgruppen auf, dabei wurde zum Mittel der arglistigen Täuschung, wie sie in Kriegen üblich ist, gegriffen. Ein vorgeschickter Nazi behauptete, er wäre von der Polizei (was ja schwer zu unterscheiden ist), die Gruppe, die sich bereits bedroht fühlte, solle sich keine Sorge machen, es bestehe keine Gefahr. Mit dem Trick lieferte er sie den schon im Hinterhalt stehenden Schlägern und schließlich dem Mörder aus. Bei der Sturmtruppe (den Nazi-Terminus verwenden die Neonazis selbst, und er wird auch von den antifaschistischen Gegnern verwendet, da diese Formation eindeutig, und auch nach dem politischen Selbstverständnis der Neonazis, in der Tradition einer Aufstandsbekämpfungsformation steht, die bereits in der Vergangenheit operierte und mit den deutsch-österreichischen Nazis kollaborierte) handelte es sich um die selbe, die Tage zuvor einen Plakatiertrupp der Kommunistischen Partei angegriffen hatte, wobei 9 Genossen verletzt wurden. Dies war der Auftakt zu einem Kampf, der sich nunmehr verstärkt gegen die „einheimische“ Bevölkerung richten soll. Sehr bald nach dem Mord setzte die staatliche Desinformation ein. Eine angebliche Streiterei wegen eines Fußballspiels wurde von regimetreuen Gazetten, Pages und Fernsehsendern hochgepusht, um die nazistische Urheberschaft zu verschleiern. Feindziel Nr. 1 waren bis jetzt die Pakistani. Wenn ein von oben abgesegneter Befehl von Patélis, sich auf Pakistani zu stürzen, kam, schwärmte das Schlägerbataillon aus, und dessen Aktivitäten waren nicht bloß auf den engeren Bezirk Keratsini und Nikaia beschränkt. Die Goldene Morgenröte agiert auch als regelrechte Mafia. Die Pakistani werden zusätzlich an die Goldene Morgendämmerung gebunden: sie müssen für sie arbeiten. Kleider, die der Organisation für arme und bedürftige Griechen gespendet werden, werden den Pakistani übergeben, die sie in ihrer Not verkaufen – an die Goldene Morgenröte müssen sie einen Anteil vom Erlös abgeben. Dadurch finanzieren sie die nazistische Organisation. Ungehorsam wird mit physischer Gewalt geahndet.
Mit der Politik der Überfälle und Morde sucht der Faschismus nicht nur den unmittelbaren Gegner, die Linke, die Kommunisten, auch das anarchistische Lager zu treffen, er will auch die Erinnerung an die kommunistische Tradition der Gemeinde Keratsíni, das politische Gedächtnis zum Verschwinden bringen. Darum ein kurzes Zitat über den Widerstandskampf gegen die deutsch-österreichischen Nazis, der dort stattfand. Dieser Abschnitt findet sich in der deutschen Wikipedia-Version unter dem Stichwort „Keratsíni“: „Der Kampf um das Elektrizitätswerk. Während des Metaxas-Regimes und nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Griechenland schlossen sich zahlreiche Oppositionelle in Keratsini und den umliegenden Gemeinden dem nationalen Widerstand der „Nationalen Befreiungsfront“ EAM und der Volksbefreiungsarmee ELAS an. Eine Einheit betrieb Sabotage an den im Dienste der Besatzungsmacht eingesetzten Schiffen, eine andere sammelte Waffen, eine weitere betrieb Sabotage in Fabriken, wieder andere widmeten sich der Aufklärung der Bevölkerung.
Als im Oktober 1944 die deutschen Besatzer erkannten, dass sie sich nicht länger halten konnten, sprengten sie Werften, das Zollamt, die Hafenkommandantur und Gebäude des Hafenamts von Piräus (Ο.Λ.Π.). Ihre Absicht war, auch die KOPI-Werke, Treibstoffdepots, Fabriken und die Getreidemühle sowie die Elektrizitätsgesellschaft von Keratsini dem Erdboden gleichzumachen. Durch Entschärfung von Zündmechanismen und Kämpfe der ELAS von Tambouria wurden die ΣΕΚ, die Eisenbahngesellschaft Piräus-Athen-Peloponnes (ΣΠΑΠ), die KOPI-Werke, die Kadettenschule, die Getreidemühle, Shell und Standard gerettet.
Vom Elektrizitätswerk zogen sich die deutschen Besatzer zunächst zurück. Aber vorsichtshalber verblieb eine 15 Mann starke Einheit der Widerständler beim Werk, eine weitere Einheit wurde beim Hügel mit der Kirche Agios Georgios stationiert. Dies erwies sich als rettend, da die Deutschen mit 60 schwer bewaffneten Männern und vier Maschinengewehren gegen das Elektrizitätswerk vorrückten. Nach mehrstündigem unentschiedenem Kampf gaben die deutschen Kräfte auf. Aber auch die ELAS verzeichnete acht Todesopfer, zusammen mit den an den vorangegangenen Tagen Gefallenen 17.
Der Kampf um das Elektrizitätswerk bedeutete das Ende der deutschen Besetzung Griechenlands. Wenige Tage später, am 18. Oktober 1944, kehrte die Regierung unter Georgios Papandreou aus dem Exil zurück.“ Jetzt kehren die Nazis zurück. Gegen den Mord sind allerdings, neben KKE, Syriza, Antarsya und zahlreichen anderen Organisationen der radikalen Linken außerhalb dieser Bereiche auch Dutzende und Aberdutzende Gewerkschaften und Berufsverbände aus dem umliegenden Hafen- und Industriebereich auf die Straße gegangen! Antifaschismus ist keine Angelegenheit einer kleinbürgerlichen pseudo-anarchistischen mit sich selbst höchst identischen Subkultur. Er hat ein proletarisches Fundament. (Ethnos, EtS, Wikipedia,Occupied London, AuO)