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Im Vorfeld des Welternaehrungstages hat die FAO ihre neue Schaetzung
zu den Hungerzahlen veroeffentlicht. Sie geht von 842 Millionen
hungernden Menschen weltweit aus – einem Rueckgang um 26 Millionen.
Die NGO *FIAN* raet jedoch zu grosser Vorsicht bei der Nutzung dieser
Zahlen. Die vermittelte Hoffnung ist truegerisch, da diese Zahl vor
allem einer neuen Methodik geschuldet ist. Die Effekte steigender
Nahrungsmittelpreise werden in der neuen Methodik kaum
beruecksichtigt.
Vor zwei Jahren, vor der Einfuehrung der neuen Methode, hatte noch
alle Welt davon gesprochen, dass die globale Hungerbekaempfung
gescheitert sei. Insgesamt gab es durch die Umstellung eine Umkehr von
steigenden zu sinkenden Hungerzahlen. Nun sind wir laut FAO auf bestem
Wege, das Ziel der Halbierung des Anteils der Hungernden bis 2015 zu
erreichen. Grundsaetzlich muss man nach FAO-Zaehlweise ein ganzes Jahr
am Stueck hungern, um als Hungernde/r zu gelten.
Der „Positivtrend“ ist truegerisch. Fast 80 Prozent des Rueckgangs bei
den neuen Hungerzahlen sind alleine auf China und Vietnam
zurueckzufuehren. In den 45 aermsten Laendern der Welt (LDCs) wuchs
die Zahl der Hungernden dagegen um 25 Prozent oder 50 Millionen
Menschen. Diese Differenzierung wird kaum kommuniziert und im
Gegenteil ein globaler Trend suggeriert.
Nahrungsmittelpreise werden grossteils ausgeklammert
Fuer arme Menschen spielen Kosten fuer Nahrungsmittel eine zentrale
Rolle. Viele muessen bis zu 80 Prozent ihres Einkommens fuer den Kauf
von Nahrungsmitteln ausgeben. Steigen die Preise, koennen sie sich
schnell keine Nahrung mehr leisten. 2009 hatte die FAO noch
geschaetzt, dass etwa 150 Millionen Menschen besonders wegen der
extremen Preisanstiege bei Grundnahrungsmitteln zusaetzlich hungern
mussten. Nun wurde die Beruecksichtigung von Kosten und
Preisentwicklung bei Grundnahrungsmitteln in der Methodik stark
reduziert. Hungerrevolten in ueber 40 Laendern und Preisexplosionen
bei Grundnahrungsmitteln von teilweise ueber 200 Prozent in wenigen
Wochen finden damit kaum noch Niederschlag in den Berechnungen.
Fragwuerdige Messlatte beim Kalorienverbrauch
Der Kalorienverbrauch war und ist die Grundlage der FAO-Zahlen. Die
FAO legt jedoch fuer den Kalorienbedarf einen „bewegungsarmen
Lebensstil“ zu Grunde, obwohl sie selbst von „harter/ anstrengender
koerperlicher Arbeit“ armer Menschen spricht. Dies reduziert den
angenommenen minimalen Kalorienbedarf und auch die Auswirkungen auf
die Statistik sind enorm. Wuerde der Berechnung des Kalorienbedarfs
nicht ein bewegungsarmer sondern ein „moderater Lebensstil“ zugrunde
gelegt, wuerde die FAO-Schaetzung 50 Prozent mehr hungernde Menschen
ergeben.
Die FAO-Zahlen geben kaum eine realistische Zahl der Hungernden
weltweit wieder. Neue Zahlen sind nicht fuer Politik zu gebrauchen.
Wichtig fuer FIAN ist: Verletzungen des Menschenrechts auf Nahrung
werden durch die FAO-Berechnungen nur teilweise abgedeckt – und
koennen oft auch nicht in globalen Zahlen erfasst werden. Die
Aenderung der Methode und die damit verbundenen statistischen
Auswirkungen zeigen zudem deutlich, mit welcher Vorsicht solche Zahlen
zu geniessen sind.
An den realen Faktoren, die zu Hunger fuehren, hat sich nichts
geaendert. Die Ausgrenzung der Hungernden aus der Politikgestaltung
und der Ausverkauf natuerlicher Ressourcen werden weiter vehement
vorangetrieben.
Neues Jahrbuch
Am 8. Oktober 2013 wurde in Rom das „Jahrbuch zum Recht auf Nahrung
2013“ (Right to Food and Nutrition Watch) von einer breiten
zivilgesellschaftlichen Allianz der Oeffentlichkeit vorgestellt. Es
identifiziert eine ganze Reihe von politischen Massnahmen, die den
Hunger verstaerken. Dazu gehoert die umfassende Privatisierung von
natuerlichen Ressourcen wie Land und Saatgut. Im Jahrbuch wird die
problematische Allianz der Politik mit grossen internationalen
Konzernen und philanthropischen Stiftungen aufgedeckt. Die G8-Allianz
zur Ernaehrungssicherheit in Afrika, die Initiative zur besseren
Ernaehrung SUN (Scaling-Up Nutrition) oder die Allianz fuer eine
Gruene Revolution in Afrika (AGRA) sind allesamt mit signifikanter
Beteiligung dieser Akteure entstanden. So nehmen die beteiligten
Agrar-und Nahrungsmittelkonzerne entscheidenden Einfluss darauf,
wofuer oeffentliche Gelder ausgegeben und wie Gesetze geschrieben
werden. Interessenskonflikte werden dabei tabuisiert und
Menschenrechte ignoriert. Politik muss Hunger bekaempfen anstatt ihn
zu verschaerfen.
(Aussendung FIAN/bearb.)
Links:
Jahrbuch zum Menschenrecht auf Nahrung 2013 (Right to Food and
Nutrition Watch):
http://www.rtfn-watch.org/ und
http://www.fian.at/home/presse-meldungen/weitere-meldungen/watch2013/
Hintergrundpapier Hungerzahlen (mit Grafik zum Vergleich der alten und
neuen Hungerzahlen):
http://www.fian.at/assets/Uploads/13-10-11-FAO-Hungerzahlen-final.pdf