An der Angehobenheit der Gewerkschaftsspitze duerfte sich nichts geaendert haben — zumindest nicht im BAGS-Bereich.
Am 4. Dezember lud die GPAdjp die Betriebsraet_innen des Sozial- und Gesundheitsbereichs bundesweit zu einer sogenannten Konferenz ins Haus der Begegnung Wien XV ein. Bundesweit wurden Busse organisiert, die Gewerkschaft hatte massiv mobilisiert, schliesslich haben sich ueber 600 Betriebsraet_innen an der Veranstaltung beteiligt. Die Gewerkschaftsspitzen und Kollektivvertragsverhandler_innen praesentierten ihre Forderungen fuer den neuen Jahresabschluss des BAGS-Kollektivvertrages, im Rahmenrecht soll unter anderem die volle Anrechnung der Elternkarenzzeit gefordert werden. In Bezug auf die Gehaltserhoehung wollte man sich noch nicht auf konkrete Zahlen festlegen. Etwa drei Stunden lang wurden wir Betriebsraet_innen von der Buehne herab mit Informationen und einer Diskussionsrunde konfrontiert, zwischendurch hoerten wir immer wieder ein paar Lieder von einer Live-Band. Wir Betriebsraet_innen kamen nicht zu Wort, es wurde nicht mit uns diskutiert! Statt eine Debatte zuzulassen, wurde die Zeit lieber mit Musik gefuellt, Platz fuer Kritik oder inhaltliche Fragen war nicht vorgesehen.
Statt mit uns anwesenden Betriebsraet_innen ueber unsere Beduerfnisse und Sichtweisen zu diskutieren, wurden uns Ergebnisse einer Umfrage unter Betriebsraet_innen des Sozial- und Gesundheitswesens vorgetragen, anhand dieser Umfrage wurde uns Betriebsraet_innen erklaert, was uns wichtig ist. Darueber, was uns nach dieser Umfrage so wichtig sein soll, wurde aber kein direktes Gespraech mit uns gesucht. Wir waren Gaeste einer knapp dreistuendigen Buehnenshow mit Musikeinlagen.
Die Vortragenden machten uns darauf aufmerksam, dass es erforderlich werden koennte, begleitend zu den KV-Verhandlungen Protestmassnahmen im oeffentlichen Raum und in den Betrieben zu planen und durchzufuehren. Genau dazu waeren wir als Betriebsraet_innen gefragt.
Die KV-Verhandler_innen erklaerten uns ihre Forderungen, die mit uns nicht abgestimmt wurden, liessen sich dafuer applaudieren, nannten Aktionsbeispiele der Vergangenheit und appellierten an uns aktiv zu werden, sollten sie es fuer sinnvoll erachten, die Verhandlungsrunden durch oeffentliche und innerbetriebliche Aktivitaeten zu unterstuetzen.
Fuer mich bedeutet das, dass mir die Gewerkschaftsfunktionaer_innen ev. einen Zeitplan und Aktionsvorschlaege unterbreiten werden und ich in dem Betrieb, in dem ich beschaeftigt bin, meine Kolleg_innen motivieren soll, sich aktiv an Aktionen zu beteiligen, Ueber die Inhalte entscheide ich aber nicht mit und ueber Details der Verhandlungsrunden werde ich wohl auch nicht informiert werden. Die Gewerkschaftsspitze hat uns versammelt um uns darauf einzustimmen, wann und zu welchen Bedingungen wir Basisarbeit zu leisten haetten.
Meine persoenliche Vermutung ist, dass sich die Gewerkschafter_innen auf der Buehne keinen kritischen Auseinandersetzungen stellen wollten.
Wie die oeffentliche Hand zwingen?
Als Betriebsraetin der Lebenshilfe Salzburg weiss ich aber auch nicht genau, warum ich fuer einen hervorragenden KV-Abschluss kaempfen soll, wenn der Kollektivvertrag vom Land Salzburg als Finanzierungsbasis nicht anerkannt wird. Private Sozialeinrichtungen, die von der oeffentlichen Hand finanziert werden, muessen zwar laut Kollektivvertrag Gehaelter und Loehne bezahlen, bekommen aber oft genug nicht die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfuegung gestellt. In Salzburg argumentiert das Land damit, dass es den KV-Abschluss nicht mitverhandelt hat, dieser damit auch nicht als Finanzierungsbasis heranzuziehen ist.
Wenn die Kosten der Gehaltserhoehung von der oeffentlichen Hand nicht gedeckt werden, hat dies schleichenden Personalabbau sowie geringe Einstiegsgehaelter, die auch nicht rasend wachsen, zur Folge. Alleine in der Lebenshilfe Salzburg sind ueber 700 Mitarbeiter_innen betroffen, die zu miserablen Gehaltsbedingungen angestellt sind und werden, dazu kommt, dass ein grosser Teil der Angestellten teilzeitbeschaeftigt ist.
Die Gewerkschaft gibt mir keine Antwort auf die Frage, was sie zu tun gedenkt, um den Kollektivvertrag politisch bei den Entscheidungstraeger_innen der Laender durchzusetzen. Diese Frage haette nicht nur ich gerne auf dieser sogenannten Konferenz gestellt, die Gewerkschaftsspitzen aber haben sich lediglich von uns feiern lassen. Ich orte hier schon einen Zusammenhang mit einem grundsaetzlichen Rollenkonflikt, wenn Gewerkschafter_innen in zweiter Funktion auch noch politische Aemter bekleiden.
Die Gewerkschaft kann die Betriebe dazu zwingen, nach Kollektivvertrag zu bezahlen, die Geschaeftsfuehrer_innen der Betriebe koennen aber die Laender nicht dazu zwingen, die finanziellen Mittel bereit zu stellen.
Schlechte Arbeitsbedingungen, die geringstmoegliche Bezahlung und Personalknappheit sind unter anderem auch die Folgen einer Gewerkschaftspolitik, die sich fuer KV-Verhandlungen und -Abschluesse gerne feiern laesst, aber nicht bereit oder in der Lage ist, diese der oeffentlichen Hand gegenueber durchzusetzen.
Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich an einer Betriebsraet_innenkonferenz teilgenommen, in der mit uns Betriebsraet_innen nicht geredet wird, jene Kolleg_innen, mit denen ich im Anschluss diskutiert habe, waren ueber die praesentierte Buehnenshow genauso enttaeuscht und frustriert wie ich.
*Rosalia Krenn*