Am 1.Jänner 1994 tauchten sie aus dem lacandonischen Dschungel auf und forderten die mexikanische Zentralgewalt heraus: Die Zürcher „Wochenzeitung“ und die deutsche „Graswurzelrevolution“ widmeten zum Jahreswechsel den Zapatisten eine breite Berichterstattung, die wir hier gekürzt wiedergeben:
20 Jahre Rebellion in Chiapas
Am 1.Jänner 1994 tauchten sie aus dem lacandonischen Dschungel auf und forderten die mexikanische Zentralgewalt heraus: Die Zürcher „Wochenzeitung“ und die deutsche „Graswurzelrevolution“ widmeten zum Jahreswechsel den Zapatisten eine breite Berichterstattung, die wir hier gekürzt wiedergeben:
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> 20 Jahre Rebellion in Chiapas (I)
Am 1.Jänner 1994 tauchten sie aus dem lacandonischen Dschungel auf und forderten die mexikanische Zentralgewalt heraus: Die Zapatisten waren damit schlagartig auch als weltweites mediales Phänomen präsent — und sehr bald auch die Lieblinge speziell der europäischen Linken, die endlich wieder eine Guerrilla hatte, an der sie sich orientieren konnte. Was ist davon geblieben? Die Zürcher „Wochenzeitung“ und die deutsche „Graswurzelrevolution“ widmeten zum Jahreswechsel der EZLN eine breite Berichterstattung, die wir hier gekürzt wiedergeben:
> „Alles für Alle!“
20 Jahre Rebellion für „Land und Freiheit“
Wieso wurde aus einer avantgardistischen Guerillatruppe eine zivile Massenbewegung mit starken libertären Tendenzen? An welchem Punkt steht die zapatistische Bewegung heute?
Die Vorgeschichte
Das Massaker der mexikanischen Regierung an über 400 linksgerichteten Studierenden vom 2. Oktober 1968 markierte eine Zäsur in der politischen Geschichte Mexikos.
Viele emanzipatorisch orientierte Oppositionelle sahen danach keine Möglichkeit mehr, auf legalem Weg Einfluss auf die autoritäre Politik des Landes zu nehmen. Es gründeten sich unterschiedliche bewaffnete revolutionäre Organisationen, die im Untergrund operierten.
Revolutionäre Guerilla-Gruppen hat es auch nach der Revolution von
1910 immer gegeben, doch nach dem Massenmord kurz vor den Olympischen Spielen erfuhr die Überzeugung, dass bewaffneter Widerstand notwendig sei, große Unterstützung.
Die EZLN (span.: Ejército Zapatista de Liberación Nacional) ging aus den Kräften der Nationalen Befreiung FLN (span.: Fuerzas de Liberación
Nacional) hervor, die am 6. August 1969 in Monterrey gegründet worden waren. Im Gegensatz zu anderen linken bewaffneten Organisationen Mexikos lehnten die FLN Raub und Entführungen zur Finanzierung ihrer Organisation kategorisch ab. Es folgte eine wechselhafte Zeit der Rekrutierung und militanter Aktivitäten im Untergrund in den Bundesstaaten Chiapas, México, Nuevo León, Puebla, Tabasco und Veracruz mit vielen Rückschlägen.
Am 17. November 1983 wurde im Lakandonischen Regenwald von Chiapas die EZLN von einer sechsköpfigen Gruppe gegründet. Anfangs handelte es sich um eine dogmatische Kleingruppe, die sich an anderen Guerilla-Organisationen Lateinamerikas orientierte, zum Teil Kontakte zur Studierendenbewegung von 1968 gehabt hatte und mit einem avantgardistisch-kommunistischen Konzept die indigene Bevölkerung ‘befreien’ wollte.
Es folgte eine mehrjährige Etappe, in der die Kerngruppe der EZLN relativ isoliert blieb, da dieser paternalistische Ansatz, der zudem von mangelnder Kenntnis der Region begleitet war, auf großes Misstrauen bei der ortsansässigen indigenen Bevölkerung stieß. Nach einiger Zeit kam es jedoch zu einer offeneren Annäherung beider Seiten, die — neben anderen Faktoren wie dem Kampf der Frauen innerhalb der Bewegung und dem Einfluss der Befreiungstheologie — die undogmatischen Charakteristika der heutigen zapatistischen Bewegung ermöglichte.
Die noch immer kleine bewaffnete Organisation trat daraufhin in einen wechselseitigen Lernprozess ein. Subcomandante Marcos, einer der wenigen Mestizen der Gruppe, beschreibt diese Phase so: „Zusätzlich zu ihrer Kondition, die sie für ein Leben in den Bergen befähigte, brachten sie uns ihre Weltsicht sowie ihre Sicht des Kampfes und ihre Kultur bei. Das heißt, in dieser Aufbauphase bewegten wir uns in einer Schule, wo es nicht klar war, wer Lehrer und wer Schüler war.“
Insgesamt zehn Jahre lang bereitete sich die politisch-militärische Organisation mit Unterstützung der zivilen Basis unter großen Anstrengungen und Gefahren im Untergrund auf Tag X vor.
Der 1. Januar 1994
Mit ihrem bewaffneten Aufstand vom 1. Januar 1994, der als ein wichtiger Ausgangspunkt der neuen antikapitalistischen Bewegungen gilt, katapultierte sich die EZLN auf die Titelseiten der mexikanischen und globalen Presse.
Der Zeitpunkt der Revolte wurde strategisch gewählt, denn just an diesem Tag trat das neoliberale Freihandelsabkommen NAFTA zwischen Kanada, Mexiko und den USA in Kraft.
In einer Zeit, in der von den westlichen Eliten ein endgültiger Sieg des Kapitalismus gefeiert wurde, manifestierten die vermeintlich Schwächsten der Schwachen im Südosten Mexikos ihr „¡Ya Basta!“ — „Es reicht!“ und verdeutlichten so, dass das damals vielzitierte „Ende der Geschichte“ keineswegs erreicht ist.
Es folgten große Wellen der Solidarität mit der EZLN im In- und Ausland. Angehörige der solidarischen Zivilgesellschaft — im Verständnis der Zapatistas die unabhängig organisierten Menschen, die nicht von den Privilegien der Herrschenden profitieren — erklärten sich einverstanden mit den zentralen Forderungen der Zapatistas nach Arbeit, Land, Unterkunft, Nahrung, Gesundheit, Bildung, Unabhängigkeit, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden. Sie schlugen der EZLN jedoch einen nicht-bewaffneten Weg zu ihrer Durchsetzung vor.
Die EZLN äußerte später, sie habe in diesem Moment auf die Zivilgesellschaft gehört und kämpft seit dem 12.01.1994 auf friedliche Weise für ihre Ziele
Durch die enormen Sympathiebekundungen für die Zapatistas sah sich die mexikanische Regierung nach zwölf Tagen Bürgerkrieg gezwungen, einen Waffenstillstand zu proklamieren. Nichtsdestotrotz sind bis heute Zehntausende Soldaten in Chiapas stationiert. Ein wichtiger Grund dafür ist die Kontrolle des Einflussgebiets der EZLN.
Die zapatistische Rebellion hat nicht nur viele indigene und bäuerliche Bewegungen für ihre eigenen Kämpfe ermutigt und inspiriert, sondern auch viele Gruppierungen und Organisationen von anderen marginalisierten Bevölkerungsgruppen wie benachteiligte Frauen, Studierende, Bewohner_innen von Armenvierteln, Sex-Arbeiter_innen, Nicht-Heterosexuelle, subkulturelle Linke und viele mehr.
„Land und Freiheit!“
Im Schwung des Aufstands besetzten die Zapatistas in Chiapas weit über
100.000 Hektar Land und verteilten es an Tausende Familien. Auch viele Nicht-Zapatistas nutzten die damalige Dynamik zur Umverteilung dieses Produktionsmittels. Die EZLN bezeichnet diesen Prozess als Wiederaneignung (span.: recuperación), da ihrer indigenen Basis die Böden über Jahrhunderte von weißen oder mestizischen Oligarchen geraubt wurden.
Im Verständnis der indigenen Bevölkerung sind die Ländereien, häufig als „Mutter Erde“ (span.: madre tierra) bezeichnet, von integraler Bedeutung, wie Comandanta Kelly betont: „Das Land und die Territorien sind mehr als nur Quellen von Arbeit und Nahrung, sie sind auch Kultur, Gemeinde, Geschichte, Vorfahren, Träume, Zukunft, Leben und Mutter.“
Nach jahrelangen, letztendlich gescheiterten Versuchen, mit der Regierung über indigene Rechte, Demokratisierung, Abkehr von der neoliberalen Wirtschaftspolitik und die Verbesserung der Situation der Frauen zu verhandeln, wählte die EZLN den Weg der „Autonomie ohne Erlaubnis“.
Erfolge in Chiapas
Am 8. August 2003 wurden in den fünf autonomen Zonen der Zapatistas zivile Verwaltungszentren gegründet (span.: caracoles, dt.:
Schneckenhäuser). Diese werden von fünf „Räten der guten Regierung“
(span.: juntas de buen gobierno) koordiniert, deren Aufgabe ist, die Entscheidungen der Basis umzusetzen — getreu dem zapatistischen Motto des gehorchenden Befehlens (span.: mandar obedeciendo).
Funktionsträger_innen, die im Sinne ihrer Basis nicht zufriedenstellend arbeiten, können — wie auch bisher auf Gemeinde- und Landkreisebene — jederzeit abgesetzt werden. Die zivile Struktur der zapatistischen Bewegung ist so aufgebaut, dass sich mehrere Gemeinden zu autonomen Landkreisen zusammenschließen, mehrere Landkreise bilden eine von fünf Zonen, in denen jeweils ein caracol angesiedelt ist, in dem die jeweils drei Teams der juntas rotativ arbeiten.
Die zentralen Aufgaben der juntas sind Vermittlung bei in- und externen Konflikten, Überwachung überregionaler Projekte, Verhinderung von Korruption, Gewährleistung einer ausgewogeneren Entwicklung innerhalb der rebellischen Gebiete und Kontaktstelle für Solidaritäts- und Menschenrechtsorganisationen, Presse sowie interessierte Personen allgemein.
Kritik
Selbstverständlich verlaufen die Initiativen der EZLN nicht idealtypisch und widerspruchsfrei, was auch von ihnen selbst immer wieder eingeräumt wird.
Ein Beispiel ist hier die Situation der Frauen, die sich durch die Revolutionären Frauengesetze zwar verbessert hat, da die Zwangsheiraten, die Gewalt und die Exklusion der Frauen deutlich zurückgegangen sind und auch immer mehr Frauen wichtige Aufgaben außerhalb des Haushalts übernehmen.
Nichtsdestotrotz betonen die Zapatistinnen, dass noch viel fehle, bis von echter Gleichberechtigung in allen Gemeinden der EZLN gesprochen werden könne. Dafür machen sie nicht nur ihre männlichen compañeros, sondern auch einen Teil der Frauen verantwortlich, die das Patriarchat reproduzieren.
Ein weiterer Kritikpunkt, der ebenfalls von der EZLN eingeräumt wird, ist, dass sich einige Autoritäten der Organisationen teilweise noch in Bereiche einmischen, die eigentlich klar der zivilen Struktur obliegen.
Die etablierte parlamentarische Linke und einige dogmatische kommunistische Gruppen kritisieren die EZLN für ihren strikt außerparlamentarischen Kurs: sie sei durch die Nicht-Unterstützung des sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador 2006 für die Wahl des rechtskonservativ-neoliberalen Politikers Felipe Calderón von der Partei der Nationalen Aktion (PAN) und 2012 für die Wiederwahl der Institutionellen Revolutionären Partei (PRI) verantwortlich.
Transnationale Vernetzung
Die globale Vernetzung war für die EZLN von Anfang an wichtig. Zudem ‘labte’ sich die desorientierte globale Linke regelrecht an der Radikalität und den konstruktiven Ideen dieser ‘frechen’ Rebell_innen, die entgegen altbackener Organisationen nicht selten poetisch die Sehnsucht nach „Einer Welt, in der viele Welten Platz haben“, formulierten. Vielfach lud die EZLN zu globalen Treffen nach Chiapas ein und animierte zur Nachahmung an anderen Orten der Welt — was allerdings nicht häufig gelang.
Die Zapatistas und viele emanzipatorische Aktivst_innen weltweit wollen sich auf Augenhöhe vernetzen, um gegen die sozialen und ökologischen Verwerfungen auf unserem Planeten vorzugehen. In temporal unterschiedlich starker Rezeption hatten Wort und vor allem Praxis der EZLN teils großen Einfluss.
Im Sommer 2013 öffnete die EZLN Hunderte ihrer Gemeinden für eine neue
Initiative: Die „Kleine zapatistische Schule“. Über 1.500 ausgesuchte Gäste aus dem In- und Ausland waren eingeladen, den rebellischen Alltag im Aufstandsgebiet kennenzulernen.
Das paternalistische Konzept von ‘Entwicklungshilfe’ wurde radikal
abgelehnt: Hier lehrten nicht vermeintlich schlaue Köpfe aus dem globalen Norden oder den Hauptstädten den Menschen in ärmeren Regionen, wie sie ihre Situation verbessern könnten. Hier unterrichteten aktive Menschen aus den Reihen der EZLN mit viel Erfahrung, wie sie ihre Autonomie in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Justiz, Produktion und Medien verwirklichen. Die „kleine Schule“ soll ob der großen Nachfrage mehrere Male wiederholt werden.
(Luz Kerkeling, Graswurzelrevolution Jänner 2014/gek.)
Quelle: http://www.graswurzel.net/385/chiapas.php
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> Inszenierung eines Krieges
Der militärische Anfangserfolg der EZLN — die Besetzung von sieben Provinzstädten — war dem Überraschungsmoment zu verdanken und währte nur wenige Tage, Dann zog sich die zapatistische Befreiungsarmee zurück in den Urwald von Lakandonien. Der linke chilenische Soziologe Tomas Moulián sprach später von der „Inszenierung“ eines Guerillakriegs. Er meinte das nicht negativ. Er verstand die Zapatistas als ProtagonistInnen einer neuen Form des militanten Klassenkampfs, in dem die Botschaft, der Diskurs an erster Stelle stand; das Militärische dagegen war nur Theater.
Die Inszenierung war offensichtlich. Subcomandante Marcos, das öffentliche und zugleich versteckte Gesicht der Zapatistas mit den grünen Augen im Sehschlitz der über den Kopf gezogenen Wollmütze, war zur Ikone stilisiert, die — zumindest eine Zeit lang — dem Portrat Ernesto Che Guevaras mit dem melancholisch in die Ferne schweifenden Blick ebenbiirtig war. Der Mann im grünen Drillich zeigte sich gerne auf dem Pferd, die Pfeife im Mund, über der Brust zwei gekreuzte Patronengurte wie einst Emiliano Zapato, der Namensgeber der Guerilla.
Über die Schulter lugte der Lauf seines Gewehrs, und wer ein bisschen genauer hinsah, konnte erkennen, dass die Munition vor der Brust nicht in den Lauf des umgehängten Schiesseisens passte.
Es waren dicke Schrotpatronen, optisch beeindruckend, doch fürs Toten denkbar ungeeignet; aber das war wohl auch nicht ihr Sinn. Sie waren keine Drohung, sondern eine Botschaft, ein revolutionäres Accessoire.
Mit solchen semiotischen Zeichen stellte sich Marcos fur die MexikanerInnen in die Tradition des -Befreiungsheroen Zapata, fur die internationale Offentlichkeit in die des Che Guevara.
Der militärische Aufmarsch des 1.Januar 1994, sagt Moulián, war „ein Scheingefecht“. Die Zapatistas „benutzten ihn als Sprachrohr, als Pamphlet, zur verbalen Auseinandersetzung — so wie sie auch die charismatische Führerfigur benutzten: Sie machten Marcos zu einer Gestalt der Massenmedien.“ Die wenigen Male, die es zu einem wirklichen Gefecht mit der Armee kam, waren die RebellInnen heillos unterlegen. Allein in den ersten zwölf Tagen des Aufstands fielen — so sagte es Marcos — 46 seiner Leute. Zum Teil fand man ihre Leichen mit einem Spielzeuggewehr aus Holz an der Seite. Für die Inszenierung eines Gefechts mag so eine Waffe ihren Sinn haben. In einer wirklichen Schlacht aber kommt die Macht aus wirklichen Gewehren.
(Toni Keppeler in woz 51/2013)
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> Die Echos der Maskierten
Seit 20 Jahren wird der Zapatismus weltweit positiv aufgegriffen
Die Kämpfe der südmexikanischen Landbevölkerung sind auf ein Echo gestoßen, das enorm war. Etwas mehr als drei Jahre vor Beginn des Aufstands war die Sandinistische Revolution abgewählt worden, der Ostblock — für viele Linke wenn auch kein Gegenmodell, so doch ein machtpolitisch gern gesehenes Korrektiv gegenüber der kapitalistischen Expansion — war zusammengebrochen und George Bush senior hatte die Neue Weltordnung verkündet. In Mexiko regierte seit 1929 dieselbe Partei, seit den 40er Jahren unter dem schönen Namen Institutionell Revolutionäre Partei (PRI). Die politischen Rahmenbedingungen erklären zumindest die Überraschung, die die indigen geprägte Bewegung am 1.
Januar 1994 auslöste. Die eigenen Inhalte, das basisdemokratische, auf Zuhören basierende Politikmodell und der Kampf gegen den Neoliberalismus waren die Schlüssel für die große Anschlussfähigkeit.
Und nicht zuletzt die Formen, eine ungewohnt poetische Sprache in den Verlautbarungen und eine extrem einfallsreiche Kampagnenpolitik (Konvent, Marsch, Verhandlung, Intergalaktische Treffen, Befragung, Buskarawane, Festival u.v.a.), machen die Begeisterung nachvollziehbar.
Für die globalisierungskritischen Bewegungen wurde der Zapatismus zu einer — wenn auch, wegen seiner Fundamentalopposition gegenüber dem staatspolitischen System umstrittenen — zentralen Bezugsgröße. Wegen der offensiven Suche nach Alternativen zur kapitalistischen „Modernisierung“.
Auch wenn die „dritte Schulter“, wie Subcomandante Marcos die transnationale Unterstützung nannte, in den letzten Jahren merklich schwächelt und auf ihr nicht mehr allzu viel ruht: Jenseits von konjunkturellen Tiefs revolutionsromantischer wie journalistischer Logiken sind die Zapatistas nach wie vor eine wichtige Konstante in den Kämpfen gegen rassistische Ausgrenzung, gegen die Diskriminierung von Frauen aber auch gegen infrastrukturelle Großprojekte und Umweltzerstörung.
Es gab Solidaritätsgruppen und es gibt Kooperativen, die fair gehandelten, ökologischen Kaffee aus den zapatistischen Gebieten vertreiben. Und es gab und gibt auch zahlreiche Protestbewegungen, die zapatistische Forderungen und Konzepte aufgriffen und in ihren eigenen Kämpfen nutzten, die Tute Bianche in Italien zum Beispiel. Selbst bei Studierendenprotesten in Frankreich, Deutschland oder Österreich tauchten zapatistische Parolen auf.
Und dann das intellektuelle Feld: Hier wurde konzeptuell vermittelt, warum die Frage der Landverteilung, die Frage nach Autonomie und kulturellen Rechten, die Frage der Bildung verarmter Bevölkerungsteile und die Frage politischer Organisierung und Repräsentation nicht nur im mexikanischen Bundesstaat Chiapas zu stellen sind. Auch in Mexiko leben mittlerweile drei Viertel der Bevölkerung in Städten, auch aus deren objektiven Lage ergeben sich nicht notwendiger Weise Gemeinsamkeiten mit ihren bäuerlichen Landsleuten. Und dennoch geht es um universelle Fragen.
Die Feministin Silvia Federici etwa beschrieb den zapatistischen Widerstand gegen die Aufhebung der verfassungsmäßigen Garantie von Gemeindeland als Auftakt für eine Auseinandersetzung um „commons“ (in
etwa: „das, was allen gehört“) in der radikalen Linken.
Der Literaturwissenschaftler und Theoretiker der Dekolonisierung, Walter Mignolo, bescheinigte den Zapatistas einen „epistemischen Bruch“, d.h. einen grundsätzlichen Wandel herbeigeführt zu haben in der Art und Weise, wie Politik zu denken ist. Michael Hardt und Antonio Negri, die Autoren der viel diskutierten Bücher „Empire“ und „Multitude“ haben die zapatistische Praxis als Beispiel für ihr Konzept der (nicht-staatlichen) „konstituierenden Macht“ aufgeführt.
Und der marxistische Philosoph Étienne Balibar beschrieb die zapatistischen Forderungen als prototypisch für jene nach dem „Recht auf Rechte“, das Marginalisierte in aller Welt mehr und mehr formulieren würden. In Philosophie, Politikwissenschaft, Soziologie, soziale Bewegungsforschung und andere Wissensproduktionen, das soll damit gesagt sein, intervenierten die Zapatistas also nicht nur als (passiv beforschter) Gegenstand, sondern auch als Inhalte generierende Kraft.
(Jens Kastner, Graswurzelrevolution Jänner 2014/gek.)