Arbeiterpartei Tunesiens (POT): Was wir über den Verfassungstext denken

Samstag, 8. Februar 2014

Übersetzung aus „La Forge“, Zeitung der PCOF, Februar 2014)

Quelle: Arbeit/Zukunft-online

Position der Arbeiterpartei Tunesiens (POT), von „La Forge“, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF) zusammengestellt

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„Die Abgeordneten der Arbeiterpartei wie die der Volksfront und der Demokratischen Opposition haben für den Verfassungstext gestimmt, wenngleich sie Vorbehalte bezüglich der Formulierung bestimmter Artikel hatten.

Wir denken, dass die Schlussversion der Verfassung insgesamt zufriedenstellend ist, dass sie bei Weitem besser ist als die von 1959, die bis zum Sturz Ben Alis in Kraft war. Vor allem, dass das Schlimmste verhindert werden konnte, indem die von den Islamisten und ihren Verbündeten an der Macht vorbereiteten und präsentierten Texte, welche die Errungenschaften, so gering sie auch sind, die im alten Text enthalten waren, rückgängig machen wollten, unter anderem die Rechte der Frauen…

Sie wollten die „Scharia“ (das Gesetz des Koran) als alleinige Quelle der Gesetzgebung in Tunesien [in die Verfassung] schreiben und weigerten sich, den Bezug auf die Menschenrechte zu erwähnen.

Sie wollten den Islam als Staatsreligion festschreiben und damit einen religiösen Staat errichten.

Sie wollten die Gleichheit zwischen Mann und Frau revidieren und festschreiben, dass die Frau eine Ergänzung des Mannes ist und nicht sein Äquivalent.

Sie wollten vermerken, dass die Erziehung das tunesische Kind in der arabisch-muslimischen Kultur fest verankern soll und die Idee der Öffnung gegenüber anderen Sprachen und Kulturen ablehnen.

Sie lehnten die Gewaltenteilung ab und hielten daran fest, dass die Gerichtsbarkeit nicht unabhängig von der Exekutive sein sollte.

Sie wollten eine parlamentarische Herrschaft einführen, wo alle Macht in den Händen des Premierministers konzentriert sein sollte, mit einem Marionettenpräsidenten ohne wirkliche Macht, der nicht in allgemeiner Wahl gewählt, sondern von der Parlamentsmehrheit ernannt werden sollte.

Sie wollten einen Obersten Islamischen Rat installieren, der das Kontrollrecht über alle Gesetzestexte haben sollte.

Um alle diese Punkte und noch über andere mussten die demokratischen Parteien und die Zivilgesellschaft einen harten Kampf führen, um sie zum Rückzug zu zwingen. Noch nie hat Tunesien eine so intensive und auch engagierte Mobilisierung erlebt wie die des Jahres 2013.

Gestützt auf ihre Mehrheit in der Konstituierenden Versammlung, wollten die Islamisten mit Macht durchzustarten versuchen und einen Text durchsetzen, der nicht nur das Wesen des Staates, sondern den Typ der Gesellschaft selbst berührt hätte. Aber mit den vereinten Anstrengungen einer Minderheit der demokratischen Abgeordneten, unterstützt von einer nie gesehenen Mobilisierung der Bevölkerung, die selbst jene übertraf, die zum Sturz des Diktators geführt hat, konnte sich schließlich das Volk durchsetzen.

Was jedoch wichtig ist in der neuen Verfassung, das ist die Aufnahme von unabhängigen, regulierenden Instanzen, die aus dem tunesischen Staat einen Rechtsstaat machen. Dies sind:

Das Verfassungsgericht, das nicht existierte und das über Jahre hinweg eine demokratische Forderung war.

Ein Oberster Rat der Richterschaft, der von den Richtern gewählt wird, während bisher alle seine Mitglieder vom Präsidenten der Republik ernannt wurden.

Die Oberste Unabhängige Wahlbehörde, die für sechs Jahre gewählt wird, die auch nicht bestand, weil es in Tunesien seit der Unabhängigkeit keine demokratischen Wahlen gab.

Die Obere Behörde für Kommunikation und Medien.

Die Verankerung in der Verfassung gibt es auch für die Gleichheit von Mann und Frau und selbst für die Parität bei den Kandidaturen für Wahlämter. Das sind die starken Punkte der neuen Verfassung. Aber wir bleiben wachsam, dass diese allgemeinen Prinzipien zur Anwendung kommen und dass wir verhindern, dass die Texte von geringerer Bedeutung (Gesetzestexte) diesen in der Verfassung verankerten Prinzipien widersprechen werden.“

(Übersetzung aus „La Forge“, Zeitung der PCOF, Februar 2014)