A. Holberg, 18.6.2013: ‘Linkswende‘, ‘Takfiris’ und offene Lügen

Wenn ich heute eine harsche Kritik an “Linkswende”, der österreichischen Schwesterorganisation der britischen ‘Socialist Workers Party’(SWP) formuliere nachdem ich diese bereits am 31.5. kritisiert habe

(http://www.linkezeitung.de/index.php?option=com_content&view=article&id=16048:die-socialist-workers-party-im-dienste-von-takfiris&catid=183&Itemid=214)

mag es so scheinen, als treibe mich als ehemaliges Mitglied diese Strömung (‘International Socialist Tendency’) ein erfahrungsgamäß bei “Abtrünnigen” besonders ausgeprägte Hass auf die früheren Genossinnen an, à la “Die größten Feine der Elche waren früher selber welche”. Der Grund ist aber in Wirklichkeitr nur der, dass die SWP zu den größeren “trotzkistischen” Organisationen gehört und ich deren Presse regelmäßiger zur Kenntnis nehme als die einer Myriade anderer Grüppchen.

Hinzu kommt allerdings, dass sich bei ihr (und ihren ausländischen – allerdings deutlich erfolgloseren – Klonen) eine Tendenz zeigt, die z.Z. des “realexistierenden Sozialismus” auch in stalinistischen Parteien des Westens, etwa der DKP, sehr ausgeprägt war, dort aber eine scheinbar größere Berechtigung hatte: ich entsinne mich, dass ich irgendwann in den 70er Jahren gegenüber der DKP mein Unverständnis über eine relativ unkritische UZ- Berichterstattung über die Politik des damaligen ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat geäußert hatte und eine Antwort erhielt, die in der etwas nebulösen Aussage gipfelte “das wirst Du ja verstehen”. Was es hier zu verstehen galt, war die Tatsache, dass die DKP – gewissermaßen zu Recht – davon ausging, dass die UdSSR sozusagen das Rückgrad der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung darstelle und folglich deren staatliche Außenpolitik mit all ihren taktischen Winkelzügen letztlich, wenn vielleicht auch mit zusammengebissenen Zähnen, von den ausländischen Bruderparteien mitzutragen sei. Man kann heute nicht leugnen, dass die Niederlage der stalinistischen Staatenwelt gegenüber dem westlichen Imperialismus, auch wenn man den “Ostblock” einfach als “staatskapitalistisch” bezeichnet,

entgegen den Hoffnungen der antistalistischen Linken auch diese ernsthaft geschwächt hat. Diese Niederlage war möglicherweise auch das Ergebnis des Zynismus und der Hoffnungslosigkeit, die die Erfahrung nicht nur mit den Verbrechen der stalinistischen Herrschaft, sondern durchaus auch mit deren bestenfalls taktischen Verhältnis zur Realität und zur Wahrheit unter Linken weltweit produzierte. Aber wie gesagt: es schien Rechtfertigungen für das Belügen der weltweiten Arbeiterklasse durch die stalinistische Propaganda zu geben, solange man hoffen konnte, dass damit die Sowjetunion als Staat, der nun einmal in dieser schlechten Welt existieren musste, gestärkt werden könnte. Was aber könnte die Rechtfertigung für nicht etwa möglicherweise falsche Einschätzungen, sondern für offensichtliche Lügen seitens linker Gruppen und Parteien geben, die überhaupt keine realen Machtinteressen in dieser Welt zu verteidigen haben? Eines der Fallbeispiele ist also die Gruppe ‘Linkswende’. In dem o.a. Artikel vom 31.5. hatte ich dargelegt, dass Simon Assaf, “der” Syrien-Experte der SWP und ihrer Zeitung ‘Socialist Worker’ die libanesische schiitische Hizbollah der Anstachelung religiösen Sektierertums beschuldigte, weil sie die überwiegend sunnitischen Aufständischen in Syrien als “Ungläubige” (‘Takfiris’) bezeichnet habe, dass das aber nicht zutrifft, weil ‘Takfiris’ eben keine ‘Ungläubigen’ sind, sondern diejenigen unter den Muslimen, die andere Muslime als “Ungläubige/Apostaten” bezeichnen. Das ist keine Meinungsäußerung, sondern eine leicht zu überprüfende Feststellung. Zufälligerweise stieß ich etwas später auf die Internet-Seite der ‘Linkswende’ und fand dort eben jenen Artikel von Simon Assaf unter dem deutschen Titel “Westliche Waffen gefährden syrische Revolution”. Offen gesagt wundert es mich etwas, wenn eine kleine linke und sich zudem sogar als “marxistisch” verstehende Gruppe in Österreich nicht nur ‘www.linkezeitung.de’ nicht zur Kenntnis nimmt, sondern nicht einmal ‘www.labournetaustria.at’. Aber da es dafür hin und wieder nachvollziehbare Gründe geben mag, habe ich vor etwa einer Woche an ‘Linkswende’ geschrieben und sie auf ihren “Irrtum” aufmerksam gemacht und um umgehende Korrektur gebeten. Das Ergebnis: keine Reaktion. Der Artikel steht immer noch dort; eine Begründung habe ich nicht erhalten (und sie müsste sich im übrigen auch nicht an mich, sondern an die Gesamtheit der Leser richten!). Kurzum: Alles deutet darauf hin, dass sich ‘Linkswende’ hier auf eine offensichtliche Lüge versteift, sei es, um – mit völlig untauglichen Mitteln – ihre Unterstützung der syrischen “Revolution” zu begründen, sei es, weil sie wie seinerzeit die stalinistischen Parteien zur KPdSU keinen Dissenz zur “Mutterpartei” – SWP – zugeben darf. Die SWP hat im übrigen selbstredend ihre Falsch”information” auch nicht korrigiert, obwohl z.B. meine o.a. angeführte Kritik auch auf Englusch als Leserbrief im ‘Weekly Worker’ vom 6.Juni erschienen ist

(http://www.cpgb.org.uk/home/weekly-worker/965/letters). Um es noch mal ganz klar zu machen: ich habe schon des Öfteren geschrieben, dass die Situation in Syrien überaus kompliziert ist, und ich es keineswegs für  undenkbar halte, dass meine Position zur syrischen “Revolution” falsch ist. Hier geht es aber – gewissermaßen zufälligerweise am Beispiel Syriens – gar nicht darum, sondern darum, dass hier die Linke fesch belogen wird. Das aber ist “Antimarxismus” in Reinkultur. Wie Antonio Gramsci schon sagte “Nur die Wahrheit ist revolutionär”. Wir sollten nicht vergessen, dass in der Arbeiterklasse eine weitverbreite Ablehnung des – allerdings nicht recht verstandenen – kapitalistischen Systems und dessen politischen Personals besteht. Gleichzeitig gibt es einen allgemein vorherrschenden Zynismus à la “all das gleiche Pack”. Nachdem die SWP und ‘Linkswende’ von mir, aber vermutlich doch auch von anderen Lesern, darauf hingewiesen wurden, dass der Artikel von Simon Assaf einen durchaus bedeutenden “Fehler” enthält, und nachdem beide sich nicht veranlasst fühlten, diesen öffentlich zu korrigieren, muss festgestellt werden, dass sich der ursprüngliche Verdacht, dass es sich keineswegs um einen Fehler, sondern um eine bewusste Lüge handelt, bestätigt. Das kann nur den verbreiteten Zynismus gegenüber “den” Linken fördern, insbesondere, wenn solche Lügen auch von jenen verbreitet werden, sie jahrzehntelang zurecht die stalinistische Konkurrenz deswegen kritisiert haben.