Dirk Bredow: »Affront gegen Landesvorstand der Linken« (Solidarität mit den Palästinensern, Wilfried Hanser)

Dirk Bredow

Eigene Genossen machen Front gegen Linke-Politiker in NRW wegen Solidarität mit Palästinensern. Ein Gespräch mit Jürgen Aust

Jürgen Aust ist Mitglied des Landesvorstandes der nordrhein-westfälischen Linkspartei

Am Freitag abend haben mehrere tausend Menschen in Essen und Köln für eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts demonstriert. Die Proteste waren maßgeblich vom Linke-Landesverband und der Linksjugend organisiert worden. Was waren die Beweggründe?

Wir hatten als Landesvorstand bereits vor einer Woche eine Erklärung veröffentlicht, mit der wir die Bombardierung Gazas entschieden verurteilt und zu einem sofortigen Stopp aller Kampfhandlungen aufgerufen haben. Gleichzeitig hatten wir erklärt, daß wir Proteste und Kundgebungen gegen den Krieg und für eine friedliche Lösung des Nahost-Konfliktes unterstützen. Die Linke versteht sich nicht zuletzt aufgrund ihres Erfurter Programms als eine Partei, die Krieg als Mittel der Politik verurteilt. Deshalb war es für uns eine Selbstverständlichkeit, auch den erneuten militärischen Überfall auf Gaza zu verurteilen und gegen ihn zu protestieren. Bekanntlich hatte das israelische Militär bereits 2008/2009 Gaza bombardiert und eine hohe Zahl von Toten und verletzten Menschen verursacht. Bereits dieser Krieg hat die Lage weiter verschärft. Israels Regierung sollte endlich begreifen, daß der Konflikt nicht militärisch zu lösen ist.

Der NRW-Landesverband ist auch aus der eigenen Partei unter Druck gesetzt worden. Diejenigen, die zur Demonstration aufgerufen hatten, wurden auch von Genossen pauschal als Antisemiten diskreditiert. Wie erklären Sie sich dieses Verhalten?

Der vom deutschen Faschismus verursachte Holocaust fordert von allen Linken, sich dessen bewußt zu sein, daß wir uns immer wieder entschieden und bedingungslos gegen alle Formen von Antisemitismus stellen müssen. Kritik an Protesten gegen Israels Politik und den erneuten Überfall hat deshalb seine Ursache in der Sorge, daß diese von antisemitischen Kräften instrumentalisiert werden könnten. Allerdings haben wir als Linkspartei auch immer deutlich gemacht, daß eine berechtigte Kritik an Israels Politik nichts mit Antisemitismus zu tun hat, wenn die Forderung nach einem Ende der Besatzung und nach einer Zwei-Staaten-Lösung erhoben wird.

Ebenso gehört es für alle Friedenskräfte zum politischen Selbstverständnis, sich gegen alle Formen gewaltsamer Konfliktlösungen auszusprechen, und dazu gehört natürlich auch die Verpflichtung, jeglichen Krieg, egal von wem er ausgeht, zu verurteilen. Die Kundgebungen in Essen und Köln waren Teil bundes- und weltweiter Proteste, bei denen sich linke Parteien und Friedensorganisationen engagiert haben.

Daß einige Führungskräfte der Linkspartei von uns gefordert haben, die Teilnahme an den Kundgebungen abzusagen und im Nachhinein Kritik geübt haben, halte ich aus den genannten Gründen politisch für falsch. Es bedarf offensichtlich einer erneuten Diskussion in der Linkspartei über die Ursachen des Nahostkonfliktes bzw. darüber, warum es für eine Linke ein Muß ist, die israelische Kriegspolitik immer wieder zu verurteilen.

»Antideutsche« hatten zu einer Gegenkundgebung aufgerufen, an der auch Anhänger der rassistischen »Bürgerbewegung Pax Europa« teilnahmen. Warum stößt dies bei den Berliner Genossen nirgendwo auf Kritik?

Von sogenannten antideutschen Gruppen organisierte Veranstaltungen haben in Deutschland eine lange Tradition. Diese Kräfte re­agieren nahezu reflexartig auf alle Formen von Kritik an der israelischen Politik und diffamieren insbesondere Antikriegsproteste als Ausdruck von Antisemitismus. Sie versuchen seit Jahren, Veranstaltungen mit israelischen Friedensaktivisten wie Felicia Langer oder Ilan Pappe zu verhindern, indem sie im Vorfeld ein wahres Trommelfeuer inszenieren. Dadurch konnten sie teilweise die Anmietung von öffentlichen Räumen unterbinden. Sie erhalten dabei leider auch von Teilen der Linkspartei Unterstützung, was auch die Teilnahme einiger Genossen an der Gegenkundgebung in Essen zeigte. Daß sogar ein Mitglied der Linksfraktion im Bundestag zu deren Unterstützern gehörte, stellt zweifellos einen besonderen Affront gegen unseren Landesvorstand dar und muß deutlich kritisiert werden. Insbesondere, weil sich in den Reihen dieser Antideutschen bekannte Kriegstreiber befanden.

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