Bei den Aufständischen im Osten der Ukraine und ihren russischen Unterstützern spielt ein homophobes Bild vom „Sündenbabel Westen“ eine nicht gerade geringe Rolle in der Propaganda. Das Argument, in der Ukraine drohe unter Janukowitsch oder bei einem Sieg der Ostrebellen Verhältnisse wie in Putins Russland, wird immer wieder gebraucht. Dabei läuft in der Ukraine seit Jahren eine Debatte über Anti-Homosexualität-Gesetze.
Noch im Jahr 2011 (also noch bevor das entsprechende Gesetz in Russland in Kraft trat) wurde der erste Gesetzentwurf in die Rada gebracht, welcher „Schutz des Rechtes der Kinder auf einen sicheren Informationsraum“
gewährleisten sollte. Der Initiator war der Abgeordnete Jewgeni Zarkow von der Kommunistischen Partei Ukraine (KPU). Die Arbeitsgruppe, die den Entwurf erarbeitet hatte, vereinigte Abgeordnete aus Janukowitschs Partei der Regionen (PR), Mitglieder des Blocks Unsere Ukraine – Nationale Selbstverteidigung (NU-NS) vom „orangenen“ Ex-Präsidenten Wiktor Juschtschenko, vom Block Julia Timoschenko (BjuT). Auch der Parlamentspräsident Wolodymyr Lytwyn vom zentristischen „Volksblock“ setzte sich für die Initiative ein. Vorgesehen war ein Verbot von „Produkten, die Homosexualität propagieren“, der Vertrieb, die Herstellung und Einfuhr solcher Produkte sollte mit Geldstrafe und Gefängnisstrafen zwischen drei und fünf Jahren geahndet werden. Begründet wurde das Ganze mit AIDS-Gefahr.
Doch bevor es zur Abstimmung kam, endete die Legislaturperiode. Die erste Lesung brachte für das Gesetz die solide Mehrheit von 289 Stimmen im Parlament mit 350 Sitzen, aber zur zweiten Lesung kam es nicht mehr. Oleg Woloschin, in Janukowitschs Außenministerium für die Informationspolitik zuständig, bat das Parlament das Gesetz nicht anzunehmen. Auch die Menschenrechtsbeauftragte der Rada, Walerija Lutkowskaja, die als loyal gegenüber Janukowitsch und der Partei der Regionen galt, protestierte gegen den Gesetzesentwurf.
Parallel dazu brachte Wadim Kolesnitschenko von der Partei der Regionen im März 2012 ein weiteres Gesetzesprojekt ein, welches sich dem „Verbot der an die Kinder gerichteten Propaganda der Homosexualität“ widmete.
Kolesnitschenkos Entwurf benannte explizit, was alles unter Propaganda gefasst sein sollte: Demos, Mahnwachen, Paraden, Aktionen, sowie thematischer Unterricht in der Schule, Debatten in Freizeiteinrichtungen, Erwähnung in Medien ect. die „positive Informationen über Homosexualität“
zum Inhalt haben. Davon nicht betroffen waren aber nach der Intention des Volksvertreters die Verbreitung der Information und öffentliche Aktionen, die Toleranz gegenüber und Rechte der LGBT zum Thema haben. Die Vorschläge für Geldstrafen waren gegenüber Zarkows Entwurf höher, dazu kam Warnarrest bis zu zu drei Jahren und Gefängnisstrafen zwischen drei und fünf Jahren bei erneuter Zuwiderhandlung. Als Grund wurde diesmal nicht AIDS, sondern die Schädigung des Entwicklung der Kinder benannt.
Einen dritten Entwurf brachte im Juni 2012 Witalij Schurawski ein, ebenfalls von der Partei der Regionen, ehemaliger Christdemokrat, berüchtigt für seine Angriffe auf die Medien wegen „verleumderischer Tätigkeit“. Schurawskis Entwurf nimmt gar keinen Bezug auf Kinderschutz, erwähnte aber – ganz auf der Höhe der Zeit – „Propaganda der Transgenderität“. Gefängnisstrafen sah der Entwurf nicht vor, dafür aber wesentlich höhere Geldstrafen als die anderen Projekte.
Die Parlamentswahlen im Oktober 2012 endeten mit einem Sieg für die Partei der Regionen. Dem neuen Parlament lagen nun drei Gesetzesentwürfe vor, die allesamt als ein Hindernis für das Abkommen mit der EU, das damals auch Janukowitsch anstrebte, angesehen wurden. Schon am 12. Dezember zog Schurawski sein Entwurf zurück, die Entwurfe von Zarkow und Kolisnetschenko waren noch im Rennen. Kolisnetschenko, überzeugter Befürworter der Annäherung an Russland legte eine neue Version seines Entwurfes vor, welcher im April 2013 von dem Rechtsausschuss der Rada unterstützt wurde. Zumal mit der rechten „Swoboda“-Partei, die zum ersten mal ins Parlament einzog, die Zahl der potentiellen Unterstützer gewachsen zu sein schien.
Doch dann haben die Verhandlungen mit der EU das Thema in den Schatten gestellt. Eine Rolle mag gespielt haben, dass es in der Partei der Regionen im Bezug auf ein Assoziierungsabkommen unterschiedliche Positionen gab, während die Oppositionsparteien von Timoschenko und Klitschko ihr prowestliches Image nicht aufs Spiel setzen wollten. Janukowitschs Außenminister Leonid Koschara hat sich noch im Februar 2013 dahingehend geäußert, dass die Antidiskriminierungsgesetze, die auch Homosexuelle einschließen, ein akzeptabler Preis für das Abkommen mit der EU über Visafreiheit seien.
Nach dem Machtwechsel kam das LGBT-Thema in die Politik zurück. Die Rebellen im Osten behaupten immer wieder auch deswegen nicht in die EU zu wollen, weil Brüssel der Ukraine dann die Toleranz gegenüber „Perversen“ verordne.
Kolesnetschenko ist inzwischen auf Krim und der nationalistischen russischen Partei „Rodina“ beigetreten. Zarkow ist fest auf der Seite der Ostrebellen.
Die KPU wurde offiziell verboten. Währenddessen hat der neue Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko die Durchführung des Christopher-Street-Day mit einer neutralen Formulierung untersagt. Denn erstens könne niemand für die Sicherheit der Veranstaltung garantieren und zweitens sei es unangebracht in Kriegszeiten Feierlichkeiten durchzuführen. Die Drohungen seitens der „Swoboda“ und dem „Rechten Sektor“ für den Fall, dass die Veranstaltung stattfinden darf, fielen recht deutlich aus.
Aus dem Fenster lehnen will sich weder die immer-noch-Übergangsregierung, noch der neue Präsident. Zumindest der Initiator der Bewegung „Liebe gegen Homosexualität“, der christliche Journalist Ruslan Kochartschuk, welcher seit 2003 Demos gegen LGBT veranstaltet, hat seine Wahl getroffen. Er unterstützt mit aller Kraft die „anti-terroristische Operation“ der neuen Regierung und wurde sogar zwischendurch von „Separatisten“ in Slawjansk gefangen gehalten. Zumindest in einem Punkt dürften sie keine Differenzen gehabt haben.
*Alexander Amethystow*