AIK, 29.8.2013: Kein Krieg gegen Syrien – Nur eine politische Lösung kann den konfessionellen Bürgerkrieg beenden

Nur eine politische Lösung kann den konfessionellen Bürgerkrieg beenden und die Tür für eine demokratische Entwicklung für die Volksmassen öffnen

Abermals droht der notorische „humanitäre Luftkrieg“ der USA und ihrer Verbündeten, den wir bereits so oft erleben mussten. Die ganze Welt weiß mittlerweile sehr gut, dass es weder um Menschenrechte noch um Demokratie geht, sondern auch dieses Mal um nichts anderes als um Macht.

Wir verurteilen den drohenden Angriff auf das Schärfste. Wir rufen zum Kampf gegen die Aggression auf und hoffen auf eine Niederlage der USA und ihrer globalen Ordnung.

Dass Giftgas zum Einsatz kam, scheint nicht bestritten werden zu können.

Aber wer dies tat, bleibt unklar. Wir haben weder die polizeilichen Mittel das festzustellen, noch wird es sich in absehbarer Zeit zweifelsfrei feststellen lassen – zu hoch ist der politische Einsatz von beiden Seiten. Wir haben auch kein Interesse daran, ein weiteres Steinchen zu einer nutzlosen und impotenten Verschwörungstheorie hinzuzufügen. Das einzige Beurteilungskriterium kann die politische Logik eines solchen Ereignisses sein – und diese erschließt sich nur schwer.

Ist es denkbar, dass das Assad-Regime absichtlich und wissentlich eine ausländische Militärintervention provoziert? Oder zielt es politisch darauf ab, sich antiimperialistischen Widerstand auf die Brust zu heften – bedenkt man, wie gering die militärischen Gewinne durch den Gaseinsatz sind? Oder steht es derart mit dem Rücken zur Wand, dass es auf solche Mittel zurückgreift? Oder riss die Kommandokette und gab dem nihilistischen Geist eines Bürgerkrieges freien Lauf?

Ist es auf der anderen Seite vorstellbar, dass Elemente der Aufstandsbewegung solche irrsinnigen Verbrechen an ihrer eigenen Unterstützerbasis begehen? Das ist weniger eine moralische als politische Fragestellung. Im Umfeld von Milizen tendieren solche Aktionen an die relevante Öffentlichkeit zu gelangen und den Urhebern politisch zu schaden (siehe al Qaida im Irak). Laut den Berichten wurden Kampfgase an mehreren Orten zur gleichen Zeit eingesetzt. Das setzt ein gewisses Niveau und eine gewisse politisch-militärische Zentralisierung und Führung voraus, die die Rebellengruppen im Großraum Damaskus kaum haben. Ghouta scheint nicht so sehr unter der Kontrolle von Jihadis und ausländischen Kämpfern, sondern unter einer aus dem zivilen Widerstand hervorgegangenen Führung zu stehen. Bietet die Ideologie der extremen Islamisten genug Zynismus für eine solche Tat? Es gilt dabei auch zu bedenken, dass gerade die Jihadis nicht jene waren, die besonders laut nach einer ausländischen Intervention geschrieen haben, sondern vielmehr die mit dem Westen verbundenen Kräfte um die FSA und den SNC. Die Heiligen Krieger wollen sich ihr Märtyrertum nicht durch amerikanische

F16 und Cruise Missiles ersetzen und so die Show stehlen lassen

Zuletzt bleibt dann noch die bei allen Verschwörungstheoretikern beliebte Variante der westlichen oder regionalen Geheimdienste, die nicht ausgeschlossen werden kann:

Am aggressivsten gebärden sich die alten Kolonialmächte Frankreich und England. Unter dem Vorwand der „responsability to protect“ wollen sie Blut fließen sehen und durch ihr Eingreifen verlorenen Status wieder gut machen. Aber sie sind gleichzeitig zu schwach, um auf sich allein gestellt in den Krieg zu ziehen. Sie wissen zu gut, dass sie völlig vom großen atlantischen Bruder abhängig sind. Das gleiche gilt für die Türkei und die Golfmonarchien, die sich allesamt an den Rockzipfel Washingtons klammern.

Die Obama-Regierung war bisher einem militärischen Eingreifen skeptisch gegenüber gestanden. Obama gewann die Wahl auf der Basis des afghanischen und irakischen Fiaskos, das vom Krieg der Neo-cons und Bushs verursacht worden war. Er fuhr eine vorsichtigere Linie, die letztlich auch das Scheitern des American Empire, wie es von den Neo-cons erträumt worden war, reflektiert. In diesem Sinne versuchten sie auch die Vorstöße der Neo-cons abzuwehren, die noch immer fest im Staatsapparat verankert sind und nach Revanche dürsten.

Die USA sind mit unterschiedlichen Ebenen und widersprüchlichen Momenten konfrontiert, die letztendlich ihre schwindende politische Hegemonie zum Ausdruck bringen. Selbst der Einsatz ihrer überlegenen Militärmaschine mag nicht unbedingt zu einer für sie günstigen politischen Lösung führen.

Auf der Oberfläche stehen die USA da, als wären sie gezwungen die von ihnen selbst definierte „rote Linie“ durchzusetzen. Um ihre Glaubwürdigkeit als einzige, überlegene Supermacht unter Beweis zu stellen, müssen sie ihren Regeln Respekt verschaffen. In dieser Logik drohen sie Assad militärisch mit Strafe, jedoch auf diesen Zweck beschränkt.

Auf einer tiefer liegenden Ebene sind die Konsequenzen jedoch enorm und betreffen die Region oder sogar die ganze Welt. Begrenzte Luftangriffe werden militärisch ebenso begrenzte Auswirkungen haben. Wenn Assad und sein Regime intakt bleiben, dann werden sie wie David gegen Goliath als Sieger aus der Schlacht hervorgehen, egal was die westliche Medienmaschine zu glauben machen versucht. Es ist daher schwer vorzustellen, dass Washington so was zulassen kann.

Wenn einmal die militärische Logik eingeschlagen wurde, dann folgt B A.

Sie müssten ihre Angriffe fortsetzen bis sie schließlich präsentable militärische und politische Resultate erzielen. Wenn es ihnen nicht gelingt den Präsidenten zu töten (was sie wie in Libyen versuchen werden), werden sie möglicherweise versuchen Assad und seinen Verbündeten ihre Bedingungen für den Verhandlungstisch aufzuzwingen.

Denn bisher hat er jedes Zugeständnis und jegliche Machtteilung abgewiesen. Es würde wahrscheinlich einiger Zeit und intensiver Angriffe bedürfen, um das Regime dorthin zu bomben. Denn dieses zeigte sich nicht nur als äußerst intransigent. Es konnte auch angesichts des konfessionellen Charakters des Bürgerkrieges die eigene allewtische Basis fest hinter sich scharen. Zudem kann das Regime mit der Passivität der anderen Minderheiten und der Wirtschaftseliten rechnen. Der Punkt, an dem Assad Zugeständnisse macht, liegt eventuell recht nahe an jenem des Zusammenbruchs oder der Kapitulation.

Zudem verfügt die USA kaum über ausreichend starke Handlanger im Land.

Wenn sie das Regime aus der Luft ins Wanken bringen, warum sollen die bewaffneten Rebellen im Allgemeinen und ihre stärksten Fraktionen, die Jihadisten, an diesem Punkt haltmachen? Warum sollen sie an den Verhandlungstisch? Die Mehrheit der kämpfenden Kräfte wird wohl die sich bietende Gelegenheit, die Macht an sich zu reißen, zu nutzen versuchen.

Also schießen die USA die Jihadis, gegen die sie sonst Krieg führen, an die Macht? Auch das scheint keine plausible Option.

Der Krieg in Syrien ist von Stellvertreterinteressen überlagert (wie man jetzt gerade überdeutlich sieht). Dennoch entspinnt er sich auf der Basis eines inneren Konflikts, der zwar durch die ausländische Einmischung auf beiden Seiten verändert wurde, aber deswegen keineswegs verschwand. Angesichts des überbordenden Konfessionalismus würde jede durch das direkte militärische Eingreifen von außen verursachte Verschiebung des strategischen Patts den Jihadismus weiter stärken. Um das hinanzuhalten, müssten die USA ihren direkten Handlanger unter die Arme greifen, eventuell sogar doch eigene Bodentruppen einsetzen. Denn bisher haben ihre Partner vom Nationalrat und der Nationalkoalition versagt.

Bisweilen wirkt direkte militärische Unterstützung durch die USA politisch nicht immer hilfreich, denn der Antiamerikanismus ist eine mächtige politische Strömung über die Grenzen des Bürgerkriegs und Syriens hinweg – ganz zu schweigen von der explosiven Wirkung auf die gesamte Region angefangen mit dem Libanon, über den Irak, die Türkei, Jordanien bis hin selbst zum strategischen Ägypten. Wenn dann noch ein durchaus mögliches israelisches Eingreifen hinzukommt, wird der Ausgang völlig unkalkulierbar. Eine Militärintervention könnte in letzter Instanz die USA sogar weiter schwächen.

Angesichts dessen könnte für die USA eine Verhandlungslösung mit einem geschwächten Assad-Regime unter Erhalt des alten Staatsapparates sogar zweckdienlicher sein. Ob sie das mit einer militärischen Aggression bewerkstelligen können, muss fraglich bleiben.

Als Antiimperialisten hoffen wir auf und unterstützen die Niederlage der USA, der führenden imperialistischen Macht, sowie ihrer Verbündeten.

Doch bleibt das Assad-Regime der politische Totengräber des antiimperialistischen Widerstands von unten. Das Regime trägt die Hauptverantwortung für die Zerstörung des revolutionär-demokratischen Moments der Volksbewegung. Es verweigerte jegliche ernsthafte demokratische Reform und setzte damit die Spirale von Militarisierung, Konfessionalisierung und Bürgerkrieg in Gang, die dem Eingreifen der regionalen und globalen Mächte erst die nötigen Angriffsflächen bot. Die Art und Weise, wie das Regime seine Autokratie gegen die demokratische und im Kern, in der Tendenz antiimperialistische Volksrevolte verteidigte, schuf die Grundlage für das Eindringen und das Wachstum des Jihadismus und schließlich die Einmischung des Imperialismus und seiner regionalen Verbündeten.

Darum beziehen wir im selbstzerstörerischen konfessionellen Bürgerkrieg nicht Seite, aber stehen weiterhin zu den ursprünglichen demokratischen Forderungen und all jenen, die nach wie vor für sie kämpfen und dabei ihre Unabhängigkeit vom Imperialismus bewahren. Die einzige Möglichkeit diesem Alptraum zu entrinnen, scheint eine politische Vereinbarung gewichtiger Elemente beider Seiten und ihrer internationalen Unterstützer. Es ist jedoch keineswegs ausgemachte Sache, dass so ein Abkommen automatisch die Tür zu einer demokratischen Transformation aufstoßen würde. Denn immerhin versuchen sich die globalen, regionalen und lokalen Wölfe möglichst viel vom Kuchen abzuschneiden. Die revolutionär-demokratischen Kräfte müssen für ihre Forderungen kämpfen, doch das setzt ein Ende oder zumindest die Dämpfung des konfessionellen Bürgerkrieges voraus. Wenn es der demokratischen Volksbewegung gelingen sollte sich wieder aufzurichten, dann wird das auch dazu beitragen das antiimperialistische Element zu entwickeln.

Nieder mit der amerikanischen Weltordnung!

Antiimperialistisches Lager

Initiativ e.V.

29. August 2013

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