Am vergangenen Freitagabend wurden in der Athener Vorstadt Irakleion zwei Mitglieder der Nazi-Partei „Goldene Morgenröte“ bei einem Anschlag erschossen und ein weiterer schwer verletzt. Nachdem im September ein Mitglied der „Goldene Morgenröte“ den linken Musiker Pavlos Fyssas ermordet hatte, sprechen Kommentatoren nun von einer möglichen Eskalation der politischen Gewalt.
Der Aufstieg einer radikalen Neonazi-Partei war ein deutliches Zeichen der tiefen politischen Krise in Griechenland. Deren radikal-nationalistische Ideologie konnte in Verbindung mit Ausländerhass und Ablehnung des Sozialabbau-Diktats der Troika tief in die Gesellschaft eindringen.
Nach dem Mord an Fyssas war die „Goldene Morgenröte“ dennoch stark unter Druck gekommen. Führende Mitglieder wurden wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Mord, Körperverletzung, Schutzgelderpressung und Geldwäsche verhaftet. Die Popularität der Partei – sie war in Umfragen über längere Zeit drittstärkste Kraft im Land nach der regierenden Nea Dimokratia und der oppositionellen linken Syriza – war deutlich gesunken. Breite Teile der Gesellschaft fürchteten offenbar eine zu starke Eskalation. Das herrschende Establishment konnte diesen Moment geschickt nutzen, um sich mit einem Schlag gegen den bedrohlich-starken Extremismus von Rechts politischen Spielraum zu verschaffen.
In diesem Kontext ist die Frage nach dem Hintergrund und den Folgen des jüngsten Anschlags gegen die Nazipartei von großer Bedeutung. In Griechenland konnte sich immer eine radikale bewaffnete Linke halten, die durchaus in der Lage wäre, einen solche Aktion auszuführen.
Angesichts der unzähligen Gewalttaten der „Goldene Morgenröte“ gegen Linke und Ausländer wäre eine solche extremistische Strafaktion zumindest nachvollziehbar, wenngleich – angesichts der Stärke der griechischen Linken auf der Straße – militante antifaschistische Massenaktionen wohl nachhaltigere Wirkung bringen.
Im polarisierten Klima Griechenlands ist aber auch denkbar, dass eine solche Aktion von Kreisen kommt, die damit einen autoritären, staatlichen „Befreiungsschlag“ gegen links und rechts legitimieren wollen, um die politisch schwache Elite mit einer weiteren Panzerung an der Macht zu halten.
Wo auch immer der Ursprung des Anschlages liegt, eine Eskalation der Gewalt würde unmittelbar das „Pro-Troika“-Establishment stärken. Selbst in der zerrütteten griechischen Gesellschaft ist der gewaltsame politische Kampf nicht mehrheitsfähig. (Keine Gesellschaft hat wohl je freiwillig den Bürgerkrieg gewählt, der immer nur eine Option von Minderheiten war; die Frage ist vielmehr die Tragfähigkeit und Kraft der bestehenden Zustände.) Darüber hinaus würde die parlamentarische Linke um Syriza enger an das „demokratische“ System gebunden und von radikaleren Teilen der Linken entfernt. Dennoch bleibt diese Entwicklung in der instabilen griechischen Gesellschaft ein Spiel mit dem Feuer, dessen Ausgang ein hohes Risiko für alle Seiten birgt.
Der Besuch des linken Aktivisten und Filmemachers Yiorgos Panteleakis in Wien bietet Gelegenheit, aus erster Hand mögliche Hintergründe, die politische Dynamik und die Perspektiven der aktuellen politischen Situation zu diskutieren. Wird die „Goldene Morgenröte“ nach dem Anschlag ihre Krise überwinden, steht Griechenland vor einer Eskalation der politischen Gewalt, wie werden die verschiedenen Formationen der Linken reagieren und was sind die Interessen der herrschenden Sozialabbauparteien und der EU/IWF-Troika in dieser Situation?
Yiorgos Panteleakis hat mit seinem auf zahlreichen internationalen Filmfestivals gezeigten Film „155 sold“ dokumentiert, wie sein Land systematisch verkauft wird und die Menschen dagegen ankämpfen.
Diskussion mit Yiorgos Panteleakis zur aktuellen politischen Situation in Griechenland
Freitag, 8. November 2013 – 19:00
Österreichisch-Arabisches Kulturzentrum (OKAZ) Gußhausstraße 14/3, 1040 Wien