Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale
Millionen in ganz Ägypten sind auf den Beinen und wollen nicht eher ruhen, bis die Regierung von Mohammed Mursi zurückgetreten ist. Aber diese zweite Revolution, die bereits 16 Opfer unter den DemonstrantInnen gefordert hat, bedeutet nicht automatisch einen Sieg für die Arbeiter- und Bauernmassen Ägyptens, wie die Erfahrungen der Massenmobilisierungen in den vergangenen zweieinhalb Jahren wiederholt gezeigt haben.
Die Demonstrationen des Wochenendes, zu denen Tamarod (Rebellion) aufgerufen hat, die Kampagne für vorgezogene Neuwahlen im April, die von der Jugendbewegung des 26. April und der Nationalen Rettungsfront unter Mohamed el-Baradei geführt worden ist, haben nun das ägyptische Militär auf den Plan gerufen. Sie stellen ein Ultimatum an beide Lager, sich zu versöhnen. Generalstabschef General Fattah al-Sisi hat nun gar Mursi aufgefordert, dem Willen des Volkes binnen 24 Stunden zu entsprechen, d.h. er soll gehen, bevor er gewaltsam gestürzt wird.
Die große Gefahr besteht nun darin, dass der Präsident, wenn schon nicht durch eine direkte Militärregierung, so doch durch eine Regierung aus Zivilisten und Liberalen von Gnaden der Armee und abhängig von dieser ersetzt wird. Das würde der Strategie der Militärbefehlshaber entgegenkommen, die ihre Macht wiederherstellen könnte, nachdem sie den Sturz von Hosni Mubarak akzeptieren und einer zivilen Herrschaft Platz machen mussten. Dieser Plan ist zweifelsohne mit der US-Administration abgesprochen, der ein militärisch beherrschtes Regime hinter der Fassade einer zivilen, ja ‚liberalen’ Regierung als verlässlicher Agent ihrer Außenpolitik willkommen ist.
Die einzige Kraft, die diese Pläne durchkreuzen kann, sind die Massen auf der Straße. Aber um ihren Sieg abzusichern, brauchen sie ihre eine eigene Organisation und eine eigene Führung. Die unabhängigen Gewerkschaften haben schon zu einem Generalstreik aufgerufen. Das wird der Schlüssel sein sowohl für die Besiegelung des Sturzes von Mursi wie auch zur Verhinderung des Ausverkaufs der Revolution durch die Armee.
In allen Städten müssen die streikenden ArbeiterInnen nun ihre eigenen Streikkomitees und demokratischen Räte formieren, um den Streik auszuweiten und die Kontrolle auszuüben. Sie müssen die bewaffneten Banden der Moslembrüderschaft und salafistischen Organisationen auflösen und sich mit den Mannschaftsgraden der Armee verbrüdern. Die Befehlskette der Streitkräfte muss von den einfachen Soldaten durchbrochen werden. Auch sie müssen ihre eigenen Räte bilden und Vertreter wählen.
Eine durch die Armee eingesetzte Regierung darf unter keinen Umständen akzeptiert werden! Das einzige Regime, das die ArbeiterInnen und ihre bäuerlichen BundesgenossInnen anerkennen können, ist eine revolutionäre Regierung, die auf ihren eigenen Räten beruht. Bis dahin sollten sie ihre eigenen Organisationen und Mobilisierungen aufrecht erhalten. Eine revolutionäre provisorische Regierung muss Sofortmaßnahmen ergreifen und die unmittelbaren wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigen, alle Banken und Finanzeinrichtungen verstaatlichen, alle Großgrundbesitzer enteignen, Arbeiterkontrolle in der gesamten Industrie und im Kommunikationsbereich einrichten, alle Einrichtungen des staatlichen Unterdrückungsapparats auflösen und entwaffnen und eine revolutionäre Verfassunggebende Versammlung einberufen, die den Arbeiter- und Bauernräten rechenschaftspflichtig ist.
Der Sturz von Hosni Mubarak war der Startschuss zur Revolution in ganz Nordafrika und Nahost. Nun könnte die Machteroberung durch die ArbeiterInnen und BäuerInnen Ägyptens im eigenen Namen eine neue Woge zur Vollendung jener Revolution auslösen, die Kräfte der Reaktion beseitigen und den Weg frei machen für eine Föderation von Arbeiterrepubliken des Maghreb und Nahen Ostens.