Bernhard Redl (akin): Bekenntnishomepage fuer Linksextremismus – um Linke zu diskreditieren

BRD:

Die „FDGO“ ist auch nach Ende des Kalten Krieges das Mittel der Wahl,
um Linke zu diskreditieren
*
Die CDU ist wieder einmal schwer empoert. „Wer sich offen in die
Traditionslinie von RAF, Roten Brigaden und gewaltbereitem ,schwarzen
Block’ begibt, verliert den Anspruch in einer Demokratie als
demokratische Partei ernst genommen zu werden … Die Lage ist mehr
als ernst. Jetzt muss gehandelt werden.“ Die einschlaegig bekannte
Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach malt wieder einmal den roten
Teufel an die Wand. Sie fordert, die Gruenen moegen sich doch von
ihrer Jugendorganisationen trennen.

Was war passiert? Wohl nicht zufaellig am 1.April stellten die
Jugendorganisationen der deutschen Parteien LINKE und Gruene nach dem
Vorbild u.a. der „Wir haben abgetrieben!“-Kampagne der 70er eine
gemeinsame Bekenntnishomepage ins Netz. Die schockierende Ansage, die
die jungen Parteileute da lancieren: „Ich bin linksextrem!“

In Oesterreich waere eine solche Aktion schwer verstaendlich, denn
hierzulande erachtet gerade mal nur die FPOe „Linksextremismus“ als
Problem — und das wohl auch nur aus Ablenkungsgruenden. In
Deutschland hingegen wird diese Debatte mit der dort ueblichen
Gruendlichkeit abgewickelt. Denn dort geistert das Gespenst des
„Extremismus“ herum — gerade von CDU-Seite wird Linksextremismus und
Rechtsextremismus gleichgesetzt.

„Freiheitlich demokratische Grundordnung“

Die extremste Auswirkung dieser Extremismushatz war dann die in
schlechter alter Tradition der Berufsverbote 2011 eingefuehrte
Demokratieerklaerung, auch Extremismusklausel genannt. Diese muessen
alle NGOs, die aus bestimmten Subventionstiteln Gelder erhalten
moechten, unterzeichnen. Die Erklaerung beinhaltet ein Bekenntnis zur
„freiheitlich demokratischen Grundordnung“ (FDGO) und verfolgt das
Ziel, „eine Unterstuetzung extremistischer Strukturen“ zu verhindern.
Dabei wurde aber nicht nur von NGOs verlangt, die staatliche
Grundordnung heiligzusprechen, sondern sie mussten sich auch dafuer
verbuergen, dass ihre Kooperationspartner auf der Basis der FDGO (in
der Auslegung der CDU) stuenden. Die Demokratieerklaerung wurde auf
Initiative der Bundesfamilienministerin Kristina Schroeder (CDU)
eingefuehrt. Auch wenn nach einem Gerichtsurteil diese
Demokratieerklaerung abgeaendert werden musste, ist sie weiterhin
Grundlage der Subventionsvergabe. Da es sich bei diesen
Subventionsprogrammen aber um solche aus dem Sozial- und
Antirassismusbereich handelt, ist klar, gegen welche Art von
Extremismus hier vorgegangen werden soll; was im Prinzip nichts Neues
in der BRD ist: Die Gretchenfrage nach der FDGO hatte schon 1956 zum
Verbot der KDP und in den 70ern zum Ausschluss von Linken aus dem
Staatsdienst gefuehrt.

Ziel der jetzigen Netz-Kampagne ist es, so die sich selbst als solche
deklarierenden „Linksextremen“, „das Extremismusmodell und seine
Verfechter*innen anzugreifen, indem moeglichst viele Menschen mit
ihren eigenen Statements aufzeigen, wie absurd die Kriminalisierung
und Repression gegenueber als ,Linksextremist*innen’ Bezeichneten
ist.“ Mit Photos sollen sich Menschen, denen dieser Diskurs zuwider
ist, auf der Homepage als „linksextrem“ bekennen. Denn: „Ein
Demokratieverstaendnis, welches nur den Status Quo anerkennt und
jedwede Kritik als Angriff versteht, lehnen wir entschieden ab. Wir
sind der Ueberzeugung, dass Aktivismus und Gesellschaftskritik
notwendige Bedingungen von Demokratie sind, wohingegen gerade die
Vertreter*innen der Extremismustheorie der Demokratie schaden und
gefaehrlichen Tendenzen wie Neofaschismus und andere
menschenverachtenden Einstellungen damit erheblich die Verbreitung
erleichtern.“ Initiativen, die gegen Nazis engagiert sind, wuerden
allein durch das Abverlangen der Demokratieerklaerung unter
Generalverdacht gestellt.

Pure Ironie

Wie repressiv der hegemoniale Diskurs in Deutschland ablaeuft, ist
aber auch dem defensiven Tonfall der Netzkampagne zu entnehmen, denn
immer wieder wird die Ironie in der Selbstbezeichnung „linksextrem“
betont. Ganz wichtig erscheint es, dagegen zu protestieren, dass einem
von der Obrigkeit „Linksextremismus“ unterstellt wuerde. Ein
selbstbewusstes und ernstgemeintes Bekenntnis dazu ist aber selbst von
„[‘solid]“, der Jugendorganisation der Partei „Die Linke“, nicht zu
erwarten.

*Bernhard Redl*

Zu finden ist die Bekenntnishomepage unter:
http://www.ich-bin-linksextrem.de/