Franz Stephan Parteder: Nach der EU-Wahl – Es kommt auf uns alle an! Kritik an der Haltung der Bundes-KPÖ – Vorschlag für breite Zusammenarbeit

Liebe Leute!
Dieser Diskussionsbeitrag gibt meine persönliche Meinung wieder. Er ist vorher mit niemandem besprochen worden. Für Anregungen und Vorschläge bin ich dankbar.

Franz Stephan Parteder

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 Es ist bezeichnend, dass die fortschrittlichen Kräfte in Österreich Diskussionen über eine verstärkte Zusammenarbeit immer nur im Zusammenhang mit Wahlen führen. Dabei sollte für KommunistInnen und konsequente, in der Tradition der Arbeiterbewegung stehende Kräfte das Antreten bei Wahlen nur ein Bestandteil einer umfassenden Strategie sein. Wir kandidieren bei Wahlen, um feststellen zu können, ob es uns gelungen ist, relevante Teile der Bevölkerung von unseren Forderungen und Zielen zu überzeugen. An erster Stelle steht unsere Arbeit an der Basis. In der heutigen Situation ist das der Abwehrkampf gegen eine Welle von Sozialabbau und Privatisierungen, die nicht zuletzt von der Europäischen Union (EU) verstärkt und beschleunigt wird.

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 Politische Lyrik

 Die Diskussion vor und vor allem nach der EU-Parlamentswahl in Österreich zeigt das ganz deutlich. Aus der Tatsache, dass – bei sehr geringer Wahlbeteiligung – die Liste „Europa anders“ – österreichweit 2,1 Prozent der gültigen Stimmen erreichen konnte (immerhin das relativ beste Ergebnis einer von der KPÖ unterstützten Liste bei bundesweiten Wahlen seit 1962), ziehen die bestimmenden Kräfte in der KPÖ-Bundespartei jetzt den Schluss, dass damit eine bisher versperrte Tür aufgeschlossen worden wäre.

Man gerät geradezu ins Schwärmen und sieht Ansätze einer Neuen Linken, wo der nüchterne Beobachter lediglich den Widerspruch zwischen übertriebenen Erwartungen vor der Wahl und Versuchen der Selbstbestätigung nach der Wahl sieht.

Diese Erklärung des KPÖ-Bundesausschusses vom 29. Mai 2014 könnte dereinst im Museum der misslungenen politischen Lyrik ausgestellt werden, so vorhersehbar sind die darin verwendeten Formulierungen und Vergleiche.

 Leider stellt diese Erklärung aber auch einen Tiefpunkt der politischen Analyse seitens der Bundes-KPÖ dar: Darin findet man kein Wort über die Entwicklung der Kräfteverhältnisse auf EU-Ebene und in Österreich. Es gibt keine Aktionsorientierung. Alles ist dem Versuch untergeordnet, aus „Europa anders“ eine Neue Linke zu entwickeln, in der die KPÖ – unausgesprochen – aufgehen soll.

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 Eine neue Phase

 Die steirische KPÖ hat das Wahlbündnis „Europa anders“ und vor allem den bisherigen EU-Parlamentsabgeordneten Marin Ehrenhauser kritisch unterstützt und in Graz mit 4,08 % das beste Ergebnis aller Landeshauptstädte erzielt. Diese Phase ist vorbei. Jetzt geht es darum, die eigene Position im politischen und gesellschaftlichen Kräftefeld der Steiermark und Österreichs zu bestimmen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, die der Realität entsprechen und nicht irgendwelche Wünsche ausdrücken.

 Deshalb hat die KPÖ-Steiermark noch am Wahlabend Folgendes erklärt: „Die EU-Parlamentswahl ist jetzt Geschichte. Die großen sozialen Probleme für die Menschen bleiben. Die Bevölkerung in der Steiermark kann sich darauf verlassen, dass die KPÖ in unserem Bundesland ihren eigenständigen Weg weitergehen wird. Gleichzeitig will sie daran mitarbeiten, österreichweit eine echte EU-kritische Kraft zu etablieren, die die Interessen der arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das achtbare Ergebnis der Liste „EU-Stop“ zeigt, dass es unklug ist, die Frage eines EU-Austritts obskuren Listen und rechten Hetzern zu überlassen.

Im Jahr 2015 stehen in der Steiermark wichtige Entscheidungen an: Die Gemeinderäte werden neu gewählt und im Herbst findet die Landtagswahl statt. Die KPÖ Steiermark geht nun gestärkt in diese Wahlen, in denen sie sich als verlässliche und soziale Kraft für jene Steirerinnen und Steirer einsetzen möchte, auf die die EU-begeisterten Parteien längst vergessen haben.“

 Und es geht um viel:

Auf EU-Ebene stehen dramatischere Entscheidungen als über die Frage bevor, wer in den kommenden 5 Jahren den EU-Kommissionspräsidenten geben wird. Und in Österreich führt die Belastungspolitik zu Widersprüchen in und zwischen den herrschenden Parteien. Das bedeutet eine höhere politische Labilität und sogar die Möglichkeit von vorgezogenen Nationalratswahlen.

Die steirische KPÖ hat in den Aktionen gegen den Sozialabbau und vor allem für die Abschaffung de unsozialen Regresses gezeigt, dass sie als selbständige und bündnisfähige Kraft in der Lage ist, zum Kristallisationspunkt verschiedener fortschrittlicher Kräfte zu werden.

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 Signale aufnehmen

 Das genügt aber nicht. Es ist notwendig, Signale, die aus der Gewerkschaft und von Teilen der SPÖ kommen, aufzunehmen und auch diesen Kräften ein Angebot zu machen. Wenn die Vorsitzende der SJ, Julia Herr, im Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“ davon spricht, dass die SPÖ, „wenn es so weitergeht, bald nicht mehr ihre Partei“ sei und sich auch vorstellen kann, eine linke Alternative zu gründen, dann darf man diese Worte nicht auf die Goldwaage legen. Sie zeigen aber – wie auch Aussagen der Nationalratsabgeordneten Daniela Holzinger und von Gewerkschaftern; dass es in der Sozialdemokratie rumort. Der Spagat zwischen realem Sozialabbau und linken Plakatsprüchen ist anscheinend nicht ewig auszuhalten. In der Steiermark ist dies alles noch durch die Auswirkungen der unsozialen Reformpartnerschaft von SPÖ und ÖVP verschärft.

 Die Kritik einiger Gruppen, die außerhalb der SPÖ stehen und sich meist in der Tradition des Trotzkismus sehen, an der geringen Klassenbezogenheit des Kurses der Bundes-KPÖ und des Wahlbündnisses „Europa anders“ hat (auch wenn man die politische Linie dieser Gruppen nicht teilt) ihre Berechtigung.

Und – wenn man den Versuch einer Neuformierung der fortschrittlichen Bewegung in Österreich ernst nimmt –  ist es auch angebracht, mit der KPÖ-Abspaltung PdA zu reden, obwohl sich dort VertreterInnen eines sehr engen Politikkonzeptes versammelt haben.

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 Was führt zusammen?

 Uns muss es aber vor allem darum gehen, herauszufinden,welche Aktionen, Forderungen und Vorschläge die fortschrittlichen Kräfte in unserem Land zusammenführen und zu gemeinsamem Handeln bringen können.

Der Hypo-Alpe-Adria-Skandal bedeutet, dass die Staatsschuld Österreichs um 18 Milliarden Euro steigt. Gleichzeitig bedeutet das beschlossene Doppelbudget des Bundes die Streichung von zahlreichen Sozialleistungen. Man sollte überlegen, ob es möglich ist, eine „Plattform 25“ auf Bundesebene ins Leben zu rufen, in der die schon bestehenden Protestaktionen verschiedener Berufsgruppen zusammengefasst werden können.

Dabei dürfte man keine Vorbedingungen stellen: Wenn jemand eine Politik ablehnt, die Banken auf Kosten der Steuerzahler rettet, eine Politik, die Vermögenssteuern verspricht, jedoch nicht einführt, die Menschen vor Lampedusa ertrinken lässt und gleichzeitig die Unionsbürgerschaft an Reiche verkauft, dann ist eine Zusammenarbeit möglich. Besonders wichtig ist dabei eine prinzipielle Ablehnung des in aller Verschwiegenheit verhandelten Freihandelsabkommens zwischen EU und USA, das die demokratischen Rechte zugunsten der Konzerne noch weiter beschneiden will.

Diese Auseinandersetzung geht nämlich weiter, was bedeutet, dass es ohne Druck von unten keine Lösung geben wird, die im Interesse der Bevölkerung ist.

International gesehen wäre ein Rückgriff auf die Neutralitätspolitik Österreichs dringend notwendig, um die Interessen unseres Landes zu schützen und für eine Verhandlungslösung in der Auseinandersetzung rund um die Ukraine einzutreten. Neutralität muss Vorrang haben – und zwar vor der gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik der EU.

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 Mindestmaß an Vertrauen

 Die schwerwiegenden Differenzen innerhalb der KPÖ und auch mit einigen Personen und Gruppen, die für eine aktionsorientierte Zusammenarbeit in Frage kommen, dürfen aber nicht verschwiegen werden. Wenn man weiterkommen will, muss man ein Mindestmaß an Vertrauen und an inhaltlicher Übereinstimmung erarbeiten.

 Wichtigste Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Gruppierungen in dieser Bewegung müssten sein:

·         das Eintreten gegen den Sozialabbau und gegen die Attacken auf die Rechte der arbeitenden Menschen .

·         Der Widerstand gegen die Politik der EU, die dazu beiträgt, dass das Kräfteverhältnis immer weiter zugunsten der Großkonzerne verändert und die Demokratie zurückgedrängt wird.

·         Für das öffentliche Eigentum an Leistungen der Daseinsvorsorge und am Bankenwesen.

·         Das Eintreten gegen jegliche Diskriminierungen von Menschen wegen ihres Geschlechtes, der Rasse und der sexuellen Orientierung.

·         Gegen die Umweltzerstörung

·         Für eine friedliche Lösung von internationalen Konflikten und die Neutralität Österreichs.

(Ich habe mir schon einige Gedanken über konkrete Aktionsformen gemacht, die aber noch nicht ausgereift sind).

Darüber hinaus sollten sich Gruppierungen, die in der Tradition der Arbeiterbewegung stehen, auf Folgendes einigen können:

 Als Marxistinnen und Marxisten treten sie für einen Bruch mit dem kapitalistischen System in Richtung Sozialismus ein, wobei es unterschiedliche Ansichten über die Formen und Etappen dieser Entwicklung gibt, über die eine solidarische Diskussion geführt werden soll.

Als Fernziel streben sie eine klassenlose Gesellschaft an, in der die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die Entfremdung aufgehoben sind und ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur hergestellt wird.

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 Kein Wunschtraum

 Ist das hier Skizzierte ein Wunschtraum, der um nichts realistischer ist als die eingangs zitierte Erklärung des Bundesausschusses der KPÖ, der von einem „linken oder progressiven gesellschaftlichen Bündnis mit diversem kulturellen und sozialen Hintergrund sowie Interessenlagen“ spricht und dabei lediglich die zahlenmäßig kleine Gruppierung „Europa anders“ meint?

Beispiele aus anderen Kontinenten, aber auch aus Europa zeigen, dass derartige Bewegungen möglich sind. Eine zielgerichtete und massenverbundene Politik kann zu Erfolgen führen, wenn sie ihre Verbindung mit der Welt der Arbeit nicht verliert und wenn sie die Sprache der Mehrheit der Bevölkerung spricht. Es geht darum, eine wirkliche und wirksame Aktion zu entwickeln, die uns mit den großen Massen der Werktätigen verbindet.

Die gesellschaftliche Entwicklung stellt das auch in Österreich objektiv auf die Tagesordnung. Es kommt darauf an, ob wir diesen Anforderungen auch gerecht werden. Es kommt auf uns alle an.