Frederik Haber (Arbeitermacht“): Kongress der Gewerkschaftslinken – Ein Aufbruch ist nötig!

Bei den schweren Niederlagen im Kampf gegen die Agenda 2010 sowie zahlreichen Gelegenheiten, bei denen vielversprechende Kämpfe von der Gewerkschaftsführung ausverkauft worden waren, hat sich gezeigt, wie wichtig eine wirkliche Opposition in den Gewerkschaften gewesen wäre:
Eine organisierte Opposition, die nicht nur eine Demonstration mit 100.000 wie am 1.11.03 initiieren und die reformistische Gewerkschaftsspitze zwingen kann, ihrerseits zu Demonstrationen aufzurufen, sondern eine , die diese Mobilisierung nutzen und den anschließenden Abbruch der Bewegung und das Einknicken vor der Agenda verhindern kann. Nötig wäre eine Opposition, die das Abwürgen von Tarifkämpfen nicht nur mit betrieblichen Proteststimmen beantwortet, und den Ausverkauf von betrieblichen Kämpfen mit Empörung, sondern die beides in eigenes Wachstum ummünzen kann.
Eine solche Opposition hätte einiges verhindert, auch wenn es noch nicht gelungen wäre, den Kurs der jetzigen Führungen komplett zu ändern. Aber eine solche Opposition entsteht nicht aus Wunschdenken.

Kapital und Kabinett werden angreifen

Vor der Wahl waren es v.a. Wirtschaftsinstitute und die rechte Presse, die eine neue Agenda forderten, Rente mit 68 oder 70 und neue Einschnitte bei Arbeitslosen. Wenn die neue Regierung im Amt ist, wird sie das vorbereiten. Auch die ersten Rufe aus dem Unternehmerlager zeigen, wo es lang gehen soll. Das ist keine Überraschung. Selbst wenn es einen bescheidenen Aufschwung geben sollte – was aus unserer Sicht eher unwahrscheinlich ist -, würde dieser mit massiven Verschärfungen der internationalen Konkurrenz einhergehen. Rationalisierungen, Werkschließungen und -verlagerungen, mehr Niedriglohnbereiche stehen auf der Tagesordnung der Unternehmer. Kürzungen im Öffentlichen Dienst sollen das begleiten.
Die derzeitige Führung der Gewerkschaften wird genauso unfähig sein, dagegen zu halten wie bisher. Sie wird sich darauf einlassen, die Angriffe „mitzugestalten, um das Schlimmste zu verhindern“.
Aber auch, wenn große Teile der Arbeiterklasse sich mit diesem Konzept arrangiert haben und mit dem scheinbar kleineren Übel zufrieden waren, auch wenn viele kampffähige Belegschaften schon ihre Arbeit, den Kampf oder beides verloren haben – insgesamt hat der Kurs der Führungen auch das Vertrauen in diese Führung untergraben.
Deshalb ist ein Aufbruch auch möglich. Der Kongress der Gewerkschaftslinken am 9./10. November im Bochum ist dazu eine wichtige Gelegenheit. Der „Arbeitsausschuss der Initiative für eine Vernetzung der Gewerkschaftslinken“ (IVG) organisiert diesen bereits zum 14. Mal. Zurecht weist die Einladung auf die Situation bei OPEL Bochum hin:

Einladung

„Mehrere tausend Jobs sollen bei OPEL Bochum vernichtet werden. Die MetallerInnen dort haben im April mit deutlicher Mehrheit von über 76 % abgelehnt, diesen Plan gegen vage Versprechungen auch noch gut zu heißen und mit Lohnverzicht zu finanzieren. Das war eine deutliche Ansage auch in Richtung IG Metall-Spitze, die diesen Plan mitverhandelt hatte und seit Jahren auf das Konzept der „Standortsicherung“ setzt, also dem Verzicht auf Lohn oder Arbeitszeit gegen die Belegschaften anderer Standorte. Diese Taktik hat die gewerkschaftliche Kampfkraft und Solidarität systematisch untergraben. Bochum zeigt: Diese Taktik ist am Ende und kein Mittel, sich gegen die anstehenden Angriffe zu verteidigen.
In Bochum ist dem NEIN zum Schaufeln des eigenen Grabes noch kein JA zur gemeinsamen Offensive gefolgt. Wenige Hundert sind in Streiks gegangen, aber die Forderungen sind unklar. Andere sehen keine Perspektive jenseits einer Abwicklung. Die fehlenden Perspektiven der IG Metall lassen die Belegschaften ratlos – nicht nur in Bochum.“
Es ist völlig klar, dass – wenn der Kongress hier Antworten geben will -, es nicht reicht, „Meinungen auszutauschen“, wie es in den Neunzigern bei der Gewerkschaftslinken der Fall war. Auch auf dem letzten Kongress gab es Stimmen, die eine Abschlusserklärung verhindern wollten. Allerdings sind diese Stimmen im Lauf der Jahre seltener geworden. Viele haben gesehen, dass mit Austausch auf Kongressen und Weiterwursteln in Betrieb und Gewerkschaftsgliederung der Rollback nach rechts nicht aufzuhalten ist.
Erklärungen allein werden für die Zukunft nicht reichen! In der Kongressplanung wird ausdrücklich Raum für „Auswertung der Konferenz und Verabredungen für die kommenden Monate“ vorgesehen, aber vielleicht zu wenig Zeit. Das Ziel ist immerhin: „Wir wollen uns an diesem Wochenende schwerpunktmäßig mit der Diskussion über eine andere Gewerkschaftsstrategie beschäftigen.“

Forderungen

Für dieses Ziel ist es sinnvoll, Vorschläge für eine andere Gewerkschaftsstrategie und wie für diese zu kämpfen ist, schon vorher zu verbreiten. Nur so kann es auch gelingen, über die heutigen MitstreiterInnen hinaus neue aus dem Kongress heraus zu gewinnen.
Die Positionen der Initiative für eine Vernetzung der Gewerkschaftslinken sind dafür eine brauchbare Grundlage:

– Arbeitszeitverkürzung mit dem Ziel von 30 Std./Woche gegen Arbeitslosigkeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
– Lohnerhöhungen, die die Reallohnverluste ausgleichen!
– Abschaffung der Leiharbeit statt Regulierung!
– Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde!
– Rücknahme des Renteneintrittsalters auf 67!
– Internationale Solidarität statt Unterstützung für die Regierung bei ihren Angriffen auf Griechenland u.a. Länder!

Für viele dieser Punkte gibt es durchaus breitere Unterstützung in den Belegschaften. Wie aber daraus ein Kraft formen, die verhindert, dass der Apparat, der alle Gremien der Gewerkschaften kontrolliert, immer wieder seine Politik der Kollaboration mit Kapital und Regierung durchsetzt, deren Inhalt die Unterwerfung unter die Bedürfnisse eben dieses Kapitals ist?
Dazu ist es nötig, Kampagnen so anzulegen, dass einerseits die Interessen der Beschäftigten formuliert werden und sie selbst für diese aktiv werden können, andererseits die Ziele und die Beweggründe des Apparats bloß gelegt werden.
Bei der Leiharbeit ist dies im Ansatz gelungen. Tatsächlich dachten viele gutgläubige Kolleginnen und Kollegen, dass Leiharbeit eben ein mieser Trick des Kapitals sei und Gewerkschaften einfach zu schwach wären, um diese zu bekämpfen. Die Tarifrunde der IG Metall 2012 für Branchenzuschläge verstärkte die Illusion in den guten Willen des Vorstands und verstärkte aber zugleich die Ansicht, dass Leiharbeit bekämpft werden könne.
Mit der Kampagne gegen die Tarifabschlüsse in der Leiharbeitsbranche in diesem Jahr, an dem verschiedenste Kräfte der Gewerkschaftslinken teilnahmen, wurde klar, dass die IGM/DGB/ver.di-Führungen Leiharbeit auf Niedrigniveau halten und einen Abschluss um jeden Preis wollten. Jetzt muss diese Erkenntnis umgesetzt werden: Diejenigen, die bereit waren, innergewerkschaftlich Position gegen dieses Vorgehen zu beziehen, müssen überzeugt werden, dass es nicht bei einer Aktion bleiben kann, weil die politische Haltung, die hinter dem Ausverkauf der LeiharbeiterInnen steht, auch zu weiteren Ausverkäufen führen wird.
Nötig ist also ein Aufruf, der aufzeigt, warum es nötig ist, aus den verschiedenen Strömungen der Gewerkschaftslinken eine Bewegung zu bilden, die sich auf eine erkennbare Programmatik verständigt, die in der Lage ist, gemeinsame Kampagnen durchzuführen und sich mit kämpfenden Belegschaften und Basisstrukturen zu verbinden. Wir werden uns aktiv in diese Diskussion einbringen.