Heinz Leitner: Anmerkung zur Situation geistig Behinder im US-Strafvollzug

Liebe Freunde_innen und Genossen_innen,

liebe Mumia Freunde_innen,

Ich möchte euere Aufmerksamkeit besonders auf die Isolationsfolter von geistig behinderten Menschen im US-Strafvollzug lenken, deren unmenschliche Situation kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird:

http://www.concordmonitor.com/article/245163/lawmaker-advocates-eugenics

Etwa 1,25 Millionen geistig behinderter Menschen in US Gefängnissen sind davon betroffen, im Vergleich zu etwa bloß 40.000 Menschen, die in psychiatrischen Krankenhäusern betreut werden:

http://www.businessinsider.com/mentally-ill-patients-in-us-prisons-2012-5?op=1#ixzz2OXE3Wdw9

Es handelt sich um Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung ihre Interessen nicht artikulieren und auf ihre unmenschliche Situation nicht hinweisen können und die kaum rechtliche oder sonstige soziale Unterstützung, z.B. durch Familienangehörige, Freunde, Briefkontakte, erfahren (voiceless women and men). Es handelt sich um eine Einbahnstraße von äußerst benachteiligten Menschen in den US-amerikanischen Strafvollzug aufgrund des desaströsen US-Gesundheits- und Sozialversicherungssystems, um Menschen, die vor ihrer Einweisung kaum versichert und medizinisch betreut und dadurch straffällig wurden. Nach ihrer Entlassung sind sie mit denselben Problemen konfrontiert: arm, ohne Einkommen, ohne Krankenversicherung, ohne Betreuung und vielfach ihrem Schicksal als „homeless people“ ausgesetzt. Dies führt nach allen Erfahrungen zu neuerlichen Straftaten und zur neuerlichen Inhaftierung. In Analogie zum Phänomen der „Drehtürpsychiatrie“, das bei einem Fehlen nachsorgender psychiatrischer Betreuung nach der Entlassung aus den psychiatrischen Einrichtungen entsteht, kann man wohl von einem „Drehtürstrafvollzug“ sprechen. Davon sind besonders arme Angehörige der Arbeiterklasse betroffen, wie Afro-Amerikaner, Lationos/a, aber auch Weiße und zunehmend auch verarmte Angehörige der sogenannten Mittelschicht. Betroffen davon sind nicht nur die inhaftierten Menschen selbst, sondern auch ihre Angehörigen, Eltern, Partner, Kinder.

Die mittelfristigen und langfristigen negativen politischen und sozio-ökonomischen Auswirkungen auf alle, wie New Jim Row, sind im Detail noch nicht abzusehen. Auf Privatisierungstendenzen des öffentlichen Schulsystems mit den erschreckenden Auswirkungen z.B. auf Afro-Amerikaner möchte ich in diesem Zusammenhang hinweisen (Schulplätze durch Lotterie). Zweifelsfrei ist mE, dass Lösungen der Probleme nicht mehr bloß durch individuelle Hilfestellungen von einzelnen für einzelne erzielbar sind, so wertvoll und anerkennenswert sie auch sind, sondern die Ursachen und Folgen der Verarmung breiter Bevölkerungsschichten der Gefängnisnation USA in einem breiten Bündnis einer neuen Bürgerrechtsbewegung bekämpft werden müssen. Dem Kampf gegen die neuen Formen der Sklaverei der „private prison industry“ mit ihren horrenden Profiten, deren Aktien inzwischen an Börsen notieren, kommt mE dabei besondere Bedeutung zu. Kurzsichtig ist es, sich auf den Lorbeeren des Erfolges früherer Bürgerrechts- und Menschenrechtsbewegungen auszuruhen, will man nicht erkämpfte soziale und politische Freiheiten und Erfolge verlieren. Jeder Stillstand ist Rückschritt! Das gilt nicht nur für Europa sondern auch für die USA.

Die gegenwärtige neo-liberale Austerity-Politik der USA wird die Situation im Allgemeinen als auch in den Gefängnissen weiter verschlimmern. So ist bekannt, dass es selbst bei einfachen Gesundheitsproblemen zu drastischen Einsparungen bei den gesundheitlichen Aufwendungen der Gefängnisse gekommen ist, z.B. bei Zahnschmerzen, deren Behandlungskosten von den Gefangenen selber zu tragen sind (siehe z.B. http://socialistworker.org/2013/03/28/grand-bargain-thats-a-bad-deal-for-workers ).

Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders darauf hinweisen, dass nach allen verfügbaren epidemiologischen Daten und Studien geistig behinderte Menschen keine (!) „naturgegebene“ erhöhte Strafanfälligkeit aufweisen. Der hohe Anteil an geistig Behinderten im US-Strafvollzug kann daher nicht auf „natürliche“ Ursachen sondern muss auf eine faschistoide Einstellung gegenüber dieser benachteiligten Bevölkerungsgruppe zurückgeführt werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang beispielsweise auf folgende Geisteshaltung eines US-Politikers hinweisen:

‚I wish we had a Siberia so we could ship them all off to freeze to death and die and clean up the population.‘

 

http://www.concordmonitor.com/article/245163/lawmaker-advocates-eugenics

Diese Einstellung erinnert fatal an die Ermordung behinderter Menschen durch die Nazi-Justiz. Das Morden beginnt im Kopf bevor es in die Wirklichkeit tritt:

https://de.wikipedia.org/wiki/Aktion_T4

https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Hartheim

(Auf den letztgenannten Link möchte ich besonders als Österreicher hinweisen)

Es sei bemerkt, dass die Situation von psychisch behinderten Menschen in den Todeszellen der US-Gefängnisse wohl eigens thematisiert werden müsste. Nach meinen Erfahrungen aufgrund von Internet-Recherchen werden etwa 2 behinderte Menschen monatlich in den USA hingerichtet, worauf sich in den offiziellen Darstellungen der Gefängnisbürokratie kaum Hinweise finden. Texas stellt ein besonders abscheuliches Beispiel dar. Den angeführten Anteil von geistig Behinderten an den Todestraktinsassen – The National Association of Mental Health has estimated that five to ten percent of those on death row have serious mental illness – halte ich persönlich für äußerst unterschätzt. Es sei nur darauf hingewiesen, dass die Isolationshaft in den Todeszellen selbst häufig zu psychischen Beeinträchtigungen und daher zu einer sekundären Ursache von psychischen Erkrankungen führt.

Obwohl die Hinrichtung geistig Behinderter in den USA verfassungsrechtlich verboten ist, steht sie tatsächlich auf der Tagesordnung, da die geistig behinderten Menschen zwangsweise medikamentös behandelt werden, um sie „fit“ für die Hinrichtung zu machen. Selbst die seltene Gewährung eines Aufschubs (stay) zur Überprüfung der geistigen Hinrichtungsfähigkeit führt in den überwiegenden Fällen selbst nur zu einer Verschiebung des Hinrichtungsdatums. In den wenigen Fällen der Umwandlung des Todesurteils zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Bewährung – „commutation to life without parole“ – ist im Hinblick auf die Isolationshaft wohl eher von einer Umwandlung des Todesurteils zu einer lebenslangen Folter zu sprechen.

http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/003/2006

http://www.amnestyusa.org/our-work/issues/death-penalty/us-death-penalty-facts/death-penalty-and-mental-illness

http://www.deathpenaltyinfo.org/mental-illness-and-death-penalty

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass geistig behinderte Häftlinge häufig vom Vollzugspersonal aber auch von ihren Mithäftlingen diskriminiert werden. Häufig sind sie Aggressionen und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt, ein Phänomen, das aufgrund der Subkultur eines Gefängnisses zwar verständlich ist, aber nicht akzeptiert werden kann (z.B. lautes Schreien psychotischer Insassen, wodurch sich die Mithäftlinge gestört fühlen; Überforderung des Gefängnispersonals bei der Betreuung psychisch Behinderter usw). Erfreulich ist, dass sich dagegen bei politisch bewussten Gefangenen inzwischen Widerstand entwickelt und immer mehr auf diese unhaltbaren Zustände verwiesen wird, z.B.

http://minutesbeforesix.com/MB6Files/Docs/2013/TBW%20Green.pdf.

Stoppt Faschismus, Rassismus und die Todesstrafe

Freiheit für Mumia und alle politischen Gefangenen

Heinz

Lawsuit Filed Against Solitary Confinement of 800 „Seriously Mentally Ill“ in Pennsylvania , March 18, 2013, By Sal Rodriguez

The Disability Rights Network of Pennsylvania (DRNP) has filed a lawsuit against John Wetzel, the Secretary of the Pennsylvania Department of Corrections, charging that the confinement of prisoners in Restricted Housing Units (RHUs) amounts to „cruel and unusual punishment“ of those diagnosed as „seriously mentally ill.“ The suit seeks an end to long-term segregation of such individuals and seeks an order that DOC prisoners „receive constitutionally adequate mental health care.“

According to the lawsuit, prisoners in the RHUs are „locked in extremely small cells for at least 23 hours a day on weekdays and 24 hours a day on weekends and holidays. Typically, the lights are on in the cell all the time. The prisoners are denied adequate mental health care and prohibited from working, participating in educational or rehabilitative programs, or attending religious services.“

Prisoners in the RHU are generally held alone, notes the lawsuit, though even in cases when prisoners are assigned a cellmate, this may be „as deleterious to their mental health as solitary confinement“ if the cellmate is „psychotic or violent.“

Placing people in such conditions, can create a „Dickensian nightmare,“ in which prisoners „are trapped in an endless cycle of isolation and punishment, further deterioration of their mental illness, deprivation of adequate mental health treatment, and inability to qualify for parole.“

The lawsuit provides profiles of 12 men housed in the RHU, which serve to illustrate the widespread use of solitary confinement against prisoners who have been diagnosed as having „serious mental illnesses.“ A man identified as „Prisoner #1″ is described in the lawsuit as having been diagnosed with a delusional disorder with paranoid features and a borderline intellectual disability. Initially placed in a Special Needs Unit, in which prisoners receive psychiatric treatment, he was frequently placed in the RHU following incidents precipitated by delusions. Despite expressing suicidal thoughts before and during his confinement in the RHU, he remained in the RHU until he committed suicide by hanging on May 6, 2011.

„Prisoner #8″ is a 28-year old man at State Correctional Institution-Green (SCI-Green) who has been diagnosed with paranoid schizophrenia, a psychotic disorder, a paraphilia, and a personality disorder. According to the lawsuit, he claims to receive „messages from the television and from dead people.“ The lawsuit states that he has expressed suicidal ideation and has been placed in the RHU after being deemed by the Department of Corrections a „danger to himself and others.“

The lawsuit charges that Wetzel „knows or is deliberately indifferent to the fact that the DOC’s treatment of prisoners with mental illness, including the practice of segregating them for long periods of time in RHUs, can cause grave harm to their mental health.“

While it is unclear what DSM-Axis I mental disorders fall under the scope of „serious mental illness,“ the lawsuit argues that the current disciplinary system within Pennsylvania prisons fails to „consider a prisoner’s serious mental illness and the impact of isolation in assessing whether to sanction the prisoners.“

Pennsylvania prisoner Ricardo Noble, who has spent over five years in the RHU, has written to Solitary Watch about the nature of life in the isolation units: „In the RHU life is intense. Especially in the beginning weeks or months. As time passes your mind begins to become clouded with mixed emotions, anger, guilt, hate, paranoia, hopelessness, loneliness, and other frustrations. Some who fail to productively channel their frustrations tend to take it out on those closest to them (mainly other prisoners) or even themselves because they can’t lash out on the ones (the Administration) who can affect change of the physical aspects of their harsh condition.“

Approximately 1/3 of prisoners in the RHUs, which as of February 28th housed 844 prisoners in long-term Administrative Custody and an additional 1,417 in shorter term Disciplinary Custody, have been described by DRNP as „seriously mentally ill.“ The DRNP cited the position of the American Psychiatric Association, which in December 2012 declared that „prolonged segregation of adult inmates with serious mental illness, with rare exceptions should be avoided due to the potential harm to such inmates.“