In einem sehr interessannten Buch behandelt Michael Pröbsting den gigantischen „Werttransfer“- sprich die Ausplünderung der Länder des „Südens“- also Afrika, Asien und Lateinamerika- durch den Imperialismus.
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Aufbauend auf dem kolonialen Raub – bei Marx bekanntlich Teil der „ursprünglichen Akkumulation des Kapitals“- erfolgt bis zum heutigen Tag ein gewaltiger ökomischer Aderlaß der südlichen Hemisphäre- in den verschiedensten Formen: von den ungleichen terms of trade bis hin zum brain drain. Und ähnlich- nich ident!- ist Lage in Süd-/osteuropa. Beim Schreiben dieser Zeilen erleben wir einen wahren Volksaufstand in Bosnien gegen die katastrophalen im ethnisch geteilten Land!
Wenn vom Süden die Rede ist, ist es wichtig die riesigen Veränderungen einzukalkulieren, die stattgefunden haben- lebt doch heute in Afriaka, Asien und Lateinamerika die überwiegende Mehrheit, rund drei Viertel des Weltproletariats!
Es ist eine großes Verdienst des Buches diese Prozesse und Veränderungen zu analysieren. Es umfaßt eine Fülle von konkreten Daten, übersichtlichen Grafiken und Tabellen. Was nunmehr vorliegt ist die deutsche, gekürzte und aktualisierte Fassung von „The Great Robbery of the South“ (2013).
Was die strategischen Schlußfolgerungen betrifft, möchte ich einige Bedenken anmelden (ich klammere HIER die „China-Debabtte“ aus – ich betrachte anders als der Autor China weder als voll kapitalistisch restauriert/ geschweige denn als imperialistisch; m.E. sind einige zentralen Strukturen der Revolution 1949, des neuen, von Anfang an(!) deformierten „Arbeiterstaats“ nicht gänzlich erodiert).
Aus dem Umstand, daß immer mehr ArbeiterInnen im Süden beheimatet sind, wird von Michael Pröbsting ziemlich linear geschlußfolgert , daß die Kämpfe im Norden eher zweitrangig sind: das Schwergewicht der Kämpfe hat sich „in Richtung der halbkolonialen Länder in Asien, Lateinamerika, dem Nahen Osten wie auch der aufsteiegenden Großmächte China und Russland verschoben“ (S. 51).
So wichtig es ist auf den Umfang, die Stärke dieser Kämpfe und die Notwendigkeit der internationalen Solidarität mit ihnen zu verweisen, so gilt es ebenso ihre aktuellen- politischen- Grenzen aufzuzeigen: von den heroischen Kämpfen der TextilarbeiterInnen in Bangladesh bis hin zu Streiks in China. Letztere sie sind oft auf die Betriebsebene beschränkt , lokal und demzufolge fragmetiert. Bislang gibt es in China auch keinen releventen Brückenschlag zur linken, undogmatisch marxistischen Intelligenz ( nicht zueletzt wegen der enormen Repression!)- geschweige denn eine ausgereifte, linke politsche Alternative.
Solche limits sind selbst in Südafrika oder Südkorea zu sehen- trotz der enormen Miltanz der Kämpfe in diesen Ländern .
Diese „Überschätzung“ des Südens korrespondiert mit einer „Unterschätzung“ der ökonomischen Aktivitäten des Kapitals im Norden: denn der Großteil der Investitionen, des Außen-Handels erfolgt nach wie vor im Norden- z. B. zwischen den USA und der EU.
Genausowenig wie aus der objektiven Tatsache, daß MigrantInnen in den entwickelten kapitalistischen Ländern der ausgebeutetste Teil der ArbeiterInnenklasse sind, (kurz)geschlossen werden kann, daß ihnen dadurch bereits eine „Avantegarderolle“ zukommt, genausowenig kann dies für die ArbeiterInnen und ihre Kämpfe im Süden unterstellt werden.
Ich sage das nicht besserwisserisch, sondern kritisch-solidarisch. Über die hier angerissenen Fragen gilt es in der Linken eine kollektive Debatte zu führen. In den Blütezeit der europäischen ArbeiterInnenbewgung Ende des 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts war dies eine Selbstverständlichkeit – auch in den ersten Jahren nach der russischen Revolution 1917- vor der Konterrevolution des Stalinismus. Man/ frau denke nur an die fesselnden Diskussionen zwischen Rosa Luxemburg, Kautsky, Lenin oder Trotzki.
Solch ein Terrain gilt es wieder Schritt für Schritt zu schaffen. Denn warum es heute geht- angesichtlichs der fundamentalen sozialen, ökonomischen, ökologischen und politischen Krisen des Kapitalismus- ist es, unter veränderten- auch weltpolitischen- Bedingungen neuerlich die „großen“ Fragen zu diskutieren: Verhältnis von Reform und Revolution; statt der imperialischen EU: ein „Vereinigtes Europa sozialistischer Staaten“; wie könnte ein pluraler, (räte-) demokratischer, ökologischer und feministischer Sozialismus des 21. Jahrhunderts ausschauen?. DEM sollte sich die Linke theoretisch und praktisch zentral widmen und NICHT Nischen- bzw. illusionäre Politik betreiben : Tauschkreise; „eigenes“ Lokalgeld; „demokratische“ Banken; illusionäre Konzepte die EU zu „demokratisieren“ etc.
Das Buch von Michael Pröbsting hat zu dieser unerläßlichen Debatte einen wichtigen Beitrag geleistet.
Hermann Dworczak (0676 / 072 31 10)
Michael Pröbsting Der große Raub im Süden. Ausbeutung im Zeitalter der Globalisierung.
Promedia Verlag, Wien 2014. 220 Seiten. 17,90 Euro