K. Fischbacher: Der 50-er Streik

Vorbemerkung

September/Oktober 2001 – vor 51 Jahren kam es zum bislang ersten und letzten großen ArbeiterInnenkampf in Österreich nach dem 2. Weltkrieg. Seitdem sind Generationen ins Leben getreten, die im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern keinerlei Klassenkampferfahrung sammeln konnten. Dem entsprechend grundelt die Linke zersplittert und gesellschaftlich irrelevant herum. Die linke und grüne Gewerkschaftsopposition im ÖGB wiederum fährt auf der illusionären politischen Linie, mit “unabhängiger” und taktischer Politik im ÖGB die Gewerkschaftsbürokratie zu kämpferischer Politik animieren zu wollen.
 
Die zentrale Erfahrung von 1950 zeigt jedoch, dass sich zwar die radikale Polarisierung bis tief in die sozialdemokratischen Betriebsrätereihen erstreckte, sich aber die SPÖ-Spitzen in Partei und Gewerkschaft angesichts einer wirklich unabhängigen Arbeiterbewegung offen in die Arme des “demokratischen” Kapitalismus / US-KaltenKrieg-Imperialismus warfen!
LabourNet-Austria-Redaktion, 6.10.01

DER STREIK 1950 
In einer bedeutend aufgewühlteren Klassenkampfsituation als heute hatte sich 1950 sozialdemokratische Politik ganz offen in extremen Widersprüchlichkeit gezeigt: Während sich immer breitere Arbeiterschichten bis tief hinein in die Reihen der SPÖ- bzw. gewerkschaftlicher Basis und Betriebsräte radikalisierten, mobilisierte die SPÖ-Spitze (inklusive der Böhm-ÖGB-Führung) unter Hetzreden und Putschlüge den staatlichen Polizeiapparat und die Olah-Garden gegen den Streik (wenn nicht sogar, dass sie versucht hatte, das Alliierte Militär gegen die Demonstrationen und Streiks der ArbeiterInnen in Gang zu setzen: „Aus den Ereignissen in Linz und Wien wird die Nervösität des ÖGB sowie der Regierung (die informell das US-Element um Hilfe ersuchte(!)) ersichtlich (…)“ (Klaus-Dieter Mulley, Der ÖGB und der „Oktoberstreik“ 1950, in Der Oktoberstreik 1950, Picus 1991)
 
Zum alliierten Militäreinsatz kam es allerdings nicht, da die sowjetische Besatzungsmacht in dieser Phase des Koreakriegs in keiner Weise an einer weiteren Zuspitzung des Weltkonflikts mit dem „Westen“ in Europa interessiert war. Auf der anderen Seite war aber auch das US-Hochkommissariat trotz der hysterischen Putschlügen der Figl (ÖVP), Schärf und Helmer (SPÖ) nicht zu einem alliierten Militäreinsatz bereit. Die Sozialdemokratie der 2. Republik hatte den Sprung von der kommunalen – „austromarxistischen“ – Verbundenheit mit dem Kapitalismus (in der 1. Republik) zur Verfilzung auf höchster Ebene in Regierung und Wirtschaft vollführt. In der neuen internationalen Konstellation nach dem 2. Weltkrieg wuchs sie so zum Agenten des alliierten-, vor allem also des US-Imperialismus im besetzten Österreich heran. Der Ausbruch des Kalten Krieges ab 1947/48 trieb sie noch schneller auf einen harten Kurs für kapitalistischen Aufbau und Marshall-Plan. Und 1948 war auch die letzte innerparteiliche-linksreformistische Opposition niedergewalzt worden (Scharf-Flügel).
1948 begann das wieder erstarkte Kapital eine ökonomische Offensive. Mit einer Währungsreform, mit Inflation und Lohnraub vollzog sich eine verschärfte Umverteilung auf Kosten der arbeitenden Massen, die bis 1950 auch mit drei Lohn-Preis-Abkommen durch SPÖ-Unterstützung in Regierung und ÖGB abgesichert werden sollte. Die riesige Kluft, die jedes Mal zwischen den Löhnen und den Preiserhöhungen entstand, verlieh den Arbeiterprotesten, die ab 1947/48 an Größe und Intensität zunahmen (z.B. der Schuhmacherstreik 1948) eine besondere Brisanz. Das 3. Lohn-Preis-Abkommen brachte über 100 000 Arbeiterlinnen auf den Rathausplatz. Beim 4. Abkommen hatten sich schließlich die Versprechungen von Regierung, SPÖ und OGB, daß die Preissteigerungen nun wirklich „voll abgegolten“ werden würden, vollends kompromittiert. Der Affront war um so stärker, als in den Wochen vor dem Abkommen in 88 Betrieben aller Branchen Lohnerhöhungen zwischen 15 und 30% gefordert worden waren. Zwei Fachgewerkschaften hatten auf Konferenzen diese Forderungen übernommen. Jetzt, über das Wochenende des 23./24. September, wurden vor allem die sozialdemokratischen ArbeiterInnen und Betriebsräte brüskiert. Statt der 15- 30% drohten nun unmittelbar lediglich 10-15% Lohnerhöhung bei beträchtlichen Preiserhöhungen. Das trieb die ArbeiterInnen zum Streik …
 
Der abgewürgte Septemberstreik: Wesentlich von der KPÖ verschuldet!
 
Montag früh (25.9.) versammelten sich die erzürnten Belegschaften in den Betrieben. Immer wieder wird die Arbeit kurz niedergelegt. Am nächsten Tag setzen sich die Streiks mehr und mehr durch. Wien und Oberösterreich gehen voran. Über 30 000 ArbeiterInnen in Wien, rund 60 000 in Oberösterreich legen die Arbeit nieder. In Niederösterreich entsteht am Dienstag eine feste Streikfront. Die Arbeiter beginnen an mehreren wichtigen Verkehrsknotenpunkten den Straßen- und Bahnverkehr zu blockieren. In der Steiermark bleibt es allerdings noch relativ ruhig.
 
Der Spontaneität der Arbeiter und Arbeiterinnen standen in dieser ersten Phase in der Regel sozialdemokratische Betriebsräte gegenüber, die sich entweder offen gegen die Streiks stellten oder sich passiv von der Masse mitreißen ließen – teilweise ehrlich erbost bzw. bürokratisch bewußt, um nicht den Einfluß auf die Arbeiterbasis zu verlieren.
 
Der Hauptinitiator der Streiks wurde in dieser Situation notgedrungen die KPÖ. Ihren Funktionären gelang es besonders in den östlichen Wiener Bezirken und in Niederösterreich – wo sie unter dem Schutz der USIA-Betriebe und der Roten Armee agieren konnten – an die Spitze der Bewegung, zu gelangen. Für den Dienstag riefen die Kommunisten zu einer breiten Demonstration zum Bundeskanzleramt in Wien auf. Rund 10 000 Arbeiterlnnen strömten zum Ballhausplatz. Die sich in den Weg stellenden Polizisten wurden von Arbeitergruppen in die Flucht geschlagen.
 
Die KPÖ hatte sich in der Agitation für die Demonstration allerdings bloß auf ihre betriebliche Kontakte und auf mündliche Propaganda beschränkt. Weder in Flugblättern noch in der ‚Volksstimme‘ wurde die Demonstration angekündigt. Hier kommt ein bezeichnender Zug zum Vorschein, der sich bereits am 2. Streiktag (26.9.) zum offenen Streikbruch auswuchs: Unmittelbar nach einem Beschluß der KPÖ-Führung würgten die Kommunisten in Niederösterreich den Streik ab!
Hinter der beachtlichen Inkonsequenz, mit der die KPÖ in der Folge den Streik abbrach, sollte jedoch nicht das System dieser Niederlagenpolitik übersehen werden. Es lag im Österreichpatriotismus der Stalinisten begründet, der die KPÖ schon ab 1934/35 offen das Bündnis mit den „anständigen“ Teilen der österreichischen Bourgeoisie (gegen den Austrofaschismus) suchen hat lassen – und mit dem sie ab 1945 in und außerhalb der Regierung das ‚unabhängige‘ Österreich mitaufbaute. „… wir lieben unser Land, wir sind unerschütterliche Anhänger und Verfechter der Demokratie. Gerade deswegen können und werden wir dem Hungerpakt nicht zustimmen.“ (aus der KPÖ-beeinflußten Resolution der ‚Gesamtösterreichischen Betriebsrätekonferenz‘ am 30.9.). Zudem war die sowjetrussische Bürokratie – und mit ihr der österreichische Vasall KPÖ – mitten im Kalten Krieg in keiner Weise an einer Zuspitzung des Klassenkonflikts in Österreich interessiert. Die „Zerreißung Österreichs wäre eine Katastrophe gewesen. Jede Möglichkeit dazu mußte unbedingt verhindert werden. Dieser politische Hintergrund bietet eine der Erklärung für das vorsichtige (!) Taktieren der Partei in vielen Fragen.“ (A. Peter, 1950 ZK- und Orgbüromitglied der KPÖ) 
Zuerst kämpfte die KPÖ daher ökonomistisch beschränkt gegen die ‚Ungerechtigkeiten‘ des Lohn-Preis-Paktes: Nur von dieser eher moralischen Warte aus kritisierte die KPÖ die Allianz von Bourgeoisie und Rechtssozialdemokratie; niemals aber, daß sich das Kapital gerade auf der Grundlage der bürgerlichen Demokratie, die die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse unangetastet ließ, nach 1945 wieder erfangen hatte können. Unnötig zu sagen, daß in der stalinistischen Politik und Propaganda auch jede Ausrichtung fehlte, daß die im Streik entstandenen Ansätze von Arbeiterdemokratie – nämlich die in den Fabriken gewählten Streikkomitees – zu Gegenmachtorganen gegen die kapitalistische Demokratie ausgebaut werden mußten. ‚Bestenfalls‘ droschen Honner & Gen. ‚Sonntags‘-abstrakte Phrasen vom ‚Sozialismus‘ (siehe z.B. Honners Rede im ‚Bayrischen Hof‘ am 26.9.).
 
Der ‚Österreichliebe‘ der KPÖ und die Order des Kreml, dass die USIA-Betriebe die Produktionsvorgaben einzuhalten hätten, entsprangen folgerichtig aber auch der Streikbruch im sowjetisch besetzten Niederösterreich: Schaut her ihr ‚Demokraten‘, jetzt muß es doch ganz klar sein, daß wir Österreich nicht sowjetisieren wollen! Es kostete den KP-Funktionären allerdings einige Mühe, den Streik gegen den verbitterten Widerstand etlicher Fabriksbelegschaften tatsächlich abzubrechen. Einen Tag später erging es ihnen in Wien ähnlich!
 
Die Entwicklungen in der Steiermark und in Oberösterreich zur gleichen Zeit zeigen das politische Verbrechen der KPO besonders deutlich auf: Während in Niederösterreich und in Wien der Streik „unterbrochen“ wurde (so hieß es alsbald im KPÖ-Sprachgebrauch), kamen die ArbeiterInnen in der Steiermark erst in Bewegung. Die Grazer Großbetriebe marschierten am 27.9. – unter ihnen viele Kommunisten! Erst am Mittwoch versammelten sich die Belegschaften in den obersteirischen Stahlbetrieben. Die Streiks in Oberösterreich gingen voll weiter: „Bis der Preistreiberpakt fällt!“
 
Am deutlichsten kann für diese entscheidende Phase des 50erStreiks gesagt werden, daß die Arbeiterklasse ihr bestes dazu beigetragen hatte, den Streik zum Siege zu führen. Rund eine viertel Million war im Ausstand, an die 40% der österreichischen Industriearbeiterschaft streikte. Doch der großartige Spontaneismus der Massen benötigte gerade im Osterreich der Schärf und Böhm (ÖGB-Präsident) – um wirklich siegen zu können – eine bewußte initiative, bewusste Schicht von ArbeiterInnen & Intellektuellen, die den Arbeiterkampf zur konsequenten Klassenaktion weiterführte. Das Gebot der Stunde um den 26.9. wäre für die fortgeschrittenen Teile der Klasse die Losung und der unbedingte Wille zum unbefristeten Streik gewesen – verbunden mit der Ausrichtung auf nationale Delegiertenkonferenzen, gestellt von im Streik gewählten Streikkomitees und Betriebsräten, die den Generalstreik in ganz Österreich vorbereiten sollten.
 
Eine solche Politik hätte zweifellos die Polarisierung in der sozialdemokratischen Arbeiter- und Betriebsräteschaft (und ebenso unter den Kommunisten) vorangetrieben, hätte die ‚Spreu‘ vom ‚Weizen‘ unter ihnen sehr schnell getrennt – und nicht erst in der Phase des Niedergangs im Oktober. Eine konsequente Minderheit der Klasse hätte so unter Umständen im Verlauf des Septemberstreiks wesentliche Teile der sozialdemokratischen Basis gewinnen können. Die Kommunisten waren indes die letzten, die zu einer solchen Politik fähig gewesen sind.
 
Der Oktoberstreik: Offen reaktionäre Politik der SPÖ und stalinistisches Abenteurertum
 
Die endgültige „Unterbrechung“ des Septemberstreiks (um den 28.9.) bedeutete in der Tat den Anfang des Endes der Streikbewegung überhaupt. Ende September 1950 vermischten sich die Beschwichtigungsparolen der KPÖ immer mehr mit der Propaganda- und Repressionswalze der SP-Bürokratie und des Staates. Diese kam jetzt im Niedergang des Streiks erst so richtig in Gang. Die Politik der KPÖ hatte es der Reaktion und der Rechtssozialdemokratie ermöglicht, die Initiative wieder an sich zu reißen. Massivst wurden nun die streikwilligen SP-Betriebsräte und ArbeiterInnen unter Druck gesetzt. In Oberösterreich, vor allem in der VOEST und den Stickstoffwerken, konnten nun die faschistoiden VDU-Betriebsräte, die sich anfangs besonders ‚radikal‘ in die Streikbewegung ‚eingeschlichen‘ hatten, für den sozialdemokratischen Streikbruch gewonnen werden. Der schrille Schrei für „Osterreich“ erschallte allerorts. Erst jetzt kam die „Putsch“-Lüge auf, so als hätten die Patrioten von der KPÖ und des Kreml eine bürokratische Machtübernahme geplant; um schon gar nicht von der Absurdität eines von der KPÖ initiierten wirklichen Räteösterreich zu reden.
 
Staat, Sozialdemokratie und ÖGB-Spitze schossen nun aus allen Rohren gegen eine ‚Gesamtösterreichische Betriebsrätekonferenz‘ die von der KPÖ als Sammlungs- und Ausgangspunkt für eine neue Streikbewegung propagiert wurde. Sie fand am 30.9. in Floridsdorf statt. Angesichts des sozialdemokratischen Sperrfeuers – z.B. wurde versucht, die Konferenzdelegierten schon auf den Bahnhöfen abzufangen – kann sie trotzdem als beachtlicher Erfolg gewertet werden. Das letzte größere Aufbäumen der bewußteren österreichischen Arbeiterschaft: Rund 2 500 Delegierte trafen zusammen, 800 davon waren SP-Betriebsräte. Alle wesentlichen Industriezentren waren vertreten, wo vorher in Hunderten von Betriebsversammlungen die Delegierten gewählt worden waren.
 
Die Schwächen der Konferenz traten aber sehr bald zu Tage. Ein schlechtes Omen für den neuerlichen Streikbeginn: Die ‚Sozialisten‘ verhalten sich passiv, melden sich kaum zu Wort, enthalten sich der Stimme usw. Unter ihnen sitzen etliche, die morgen offen gegen den Streik auftreten werden.
 
Die Konferenz beschwor wieder einmal die Vaterlandstreue, forderte die Zurücknahme der Preissteigerungen, die Verdopplung der Lohnerhöhungen uam. Sie bleibt durch und durch ökonomistisch. Nicht einmal in dieser Situation, zwar geschwächt, aber voll gemachter Erfahrungen der vergangenen Woche, dringen kritischeStimmen gegenüber der sozialpartnerschaftlichen Demokratie in Österreich und dem bürokratischen ÖGB durch. Ganz im Gegenteil, der Stalinismus dominiert. Die wenigen Rufe aus der Halle für die Abwahl Böhms wurden‘ überhört‘.
 
Der entscheidende politische Schritt vorwärts wurde von den ArbeiterInnen nicht getan: „Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der unmittelbare Erfolg, sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter.“ (Karl Marx). Das eigentliche Resultat des 50er Streiks hätten trotz der Niederlage Strukturen einer Gewerkschaftsopposition für Klassenkampf, Unabhängigkeit von der kapitalistischen ‚Demokratie‘ und für volle Gewerkschaftsdemokratie sein müssen – und können!
 
Ein klares Resümee des Septemberstreiks und der sozialdemokratischen bzw. stalinistischen Niederlagenpolitik wäre notwendig gewesen. Die Betriebsrätekonferenz am 30.9. war für RevolutionärInnen die letzte große Möglichkeit, mit den Lehren aus den Septemberkämpfen die Idee einer revolutionär-sozialistischen Arbeiterpartei in den Reihen der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterschaft zu verankern.
 
Und die TrotzkistInnen?
 
Die KPÖ war unfähig dazu. Und die Trotzkisten (IKÖ) – ab 1949 gespalten in Vertreter des Voll- bzw. Teileintritts in die SPÖ – ritten einen besonders haßerfüllten Kurs gegen die KPÖ, was auf der anderen Seite einem ungeheuren Opportunismus gegenüber der Sozialdemokratie entsprach. Im Hexenprozeßklima Ende September /Anfang Oktober denunzierten sie die ‚Gesamtösterreichische Betriebsrätekonferenz‘ als „ein Werkzeug in der Hand des Apparats der KP“ (‚Der Spartakist‘, Sept./ Okt .50) Man muß sich die Situation der wüstesten Anti-Streikkampagne der SPÖ in Erinnerung rufen, wo diese ‚Trotzkisten‘ nichts anderes zu tun hatten, als gegen die „ultralinken Abenteuer“  und „für den Rückzug, für den Abbruch des Kampfes“ (ebd.) zu schreien. Der sozialdemokratische Zug der ‚trotzkistischen‘ Politik wurde überdeutlich, als sie schließlich im Oktoberstreik die österreichische Polizei gegen die „russische Besatzungsmacht“ im Namen der „Freiheiten der bürgerlichen Demokratie“ verteidigten. Bei aller Berücksichtigung und Kritik an der Unterdrückerfunktion der Roten Armee gegen jede wirklich unabhängige Arbeiteraktion (und auch gegen die Trotzkisten!) hätte eine revolutionäre Politik 1950 noch streikwillige ArbeiterInnen gegen die rechtssozialdemokratischen Schlägergarden mit verteidigen müssen. Und in diesem Sinne hätten revolutionäre Linke auch nichts dagegen gehabt, wenn sowjetische Truppenabteilungen die Olah-Schlägergarden oder die österreichische Exekutive aus Stadt- und Fabriksvierteln vertrieben haben. Es war eine Position einzunehmen, die die Verbrüderung der ArbeiterInnen mit den Soldaten der Roten Armee versuchen hätte müssen, daß sich die Arbeiter dabei aber selber bewaffnen und unter allen Umständen unabhängig von der stalinistischen Bürokratie bleiben mußten.
Ganz anders die IKÖ: Löblich war es natürlich, daß sie gegen den Polizeieinsatz gegen streikende Arbeiter war, „wir sind aber auch dagegen, daß die Besatzungsmächte österreichische Polizisten oder Beamte einfach verhaften oder entführen.(…) Die Hilfe, die die russische Besatzungsmacht der Stalinpartei leistet, ist keine Hilfe für die Arbeiterklasse im Kampf gegen die Bourgeoisie, im Gegenteil, sie hilft mit, die Freiheiten der bürgerlichen Demokratie zu zerstören.“ (ebd.)
 
Das KPÖ-„Ultimatum“
 
Die KPÖ hatte der Regierung auf der Konferenz ein Ultimatum gestellt, bis 3.10. auf die Forderungen positiv zu antworten, ansonsten ab dem 4.10. der Streik „in ganz Österreich“ beginnen würde. Dem lag eine krasse Überschätzung der noch verbliebenen Kampfstärke zugrunde. Im Oktoberstreik, der dann in einem gewaltigen Propaganda- und Repressionsklima am 4.10. begann, kämpfte nur mehr rund die Hälfte der Streikenden des Septemberstreiks.
 
Anfang Oktober allerdings den Streik völlig abzubrechen, wäre für die kampfgewillte Arbeiterschaft vermutlich genau so demoralisierend gewesen, wie die ganze Politik der KPÖ, die sich nun in eine abenteuerliche Offensivpolitik stürzte. Ein geordneter Rückzugskampf für realistische Ziele, etwa um Lohnerhöhungen, hätte die Niederlage im Oktoberstreik mildern können. Gegen die von Regierungs-SPÖ und ÖGB mobilisierten Polizei, Gendarmerie und Schlägergarden mußten vor und in den Fabriken bewaffnete Streikposten gebildet werden, anstatt unbewaffnete Arbeitergruppen auszuschicken und der brutalen Repression der Streikbrecher auszusetzen.
 
Die Knüppelgarden des Franz Olah gegen die Streikenden im Oktober waren natürlich nur mehr eine billige Verwirklichung des Sympathisierens mit der Idee auch der SPÖ-Spitze acht Tage vorher, das Alliierte Militär gegen die Arbeiter einzusetzen. Die SP- und ÖGB-Spitze war 1950 auch gegenüber einer breiten Massenbewegung der österreichischen Arbeiterschaft starr reaktionär geblieben. In der Partei, Gewerkschaft und unter den sozialdemokratischen Betriebsräten hatte es jedoch tiefe Einschnitte gegeben. Dies hätte trotz der Streikniederlage Ausgangspunkt für eine längerfristige  Stärkung der klassenkämpferischen und revolutionären Kräfte sein können. Daß es dazu nicht kam, daß die Demoralisierung der österreichischen Arbeiterschaft nach 1950 derart tief ging, ist nicht zuletzt auch auf die Politik von KPÖ und der ‚Trotzkisten‘ zurückzuführen.
K. Fischbacher
September 1988