Media Refugee Protest: Pressemitteilung – Stellungnahme der streikenden Non-Citizens (Asylsuchenden) vom Rindermarkt (De, En)

Was in den 9 Tagen am Rindermarkt passiert ist, wurde von verschiedenen Seiten, Sichtweisen und auf verschiedene Arten in den Medien und in  politischen Kreisen analysiert. Jetzt wollen wir, als Subjekte der Non-Citizen-Kämpfe, den Rindermarkt von unserer eigenen Position und Perspektive aus analysieren, um die unerzählten Teile zu berücksichtigen und Transparenz herzustellen.

„Was ist zu tun, um ein gesichertes Leben und die gleichen Rechte wie die Anderen zu erlangen?“ Selbst-Organisation, das Aufbauen von Netzwerken, um sich gegenseitig zu treffen, war der erste Schritt. In mehr als 70 Treffen wurde mit Teilnahme von Non-Citizens (Asylsuchenden), die in mehr als 200 Lagern in Bayern lebten,  der Protest am Rindermarkt organisiert. Der Rindermarkt war unsere eigene Anwort auf eine Frage,  die wir selbst geschaffen hatten. So begannen wir am 22. Juni, vereint als Eines, unseren kollektiven Protest am Rindermarkt.

In unserer ersten Erklärung kündigten wir an, dass wir für die Anerkennung unserer Asylanträge mit einem nassen Hungerstreik (nur Wasser, kein Essen) begonnen hatten. Wir gaben der Regierung 3 Tage, um unsere Forderung zu erfüllen.

Nachdem es 3 Tage lang keine Reaktion von Seiten der Regierung gab, organisierten wir mehrere Plena, bei denen wir schließlich aus eigener Entscheidung beschlossen, einen weiteren  Schritt zu gehen, um die gleichen Rechte wie andere Menschen zu erhalten. Auf unserer eigenen Pressekonferenz am Donnerstag, den 25. Juni, kündigten wir an, dass wir in den trockenen Hungerstreik treten (kein Essen, kein Wasser) und dass die Verantwortung für unsere Leben jetzt in den Händen der Autoritäten und Gesetzgeber_innen liegt.

Nach einem Tag war die erste Reaktion der bayerischen Regierung ein Verhandlungsangebot zwischen uns, den  Non-Citizens (Asylsuchenden) im trockenen Hungerstreik, und ihnen als den Autoritäten. Die am Mittwoch stattfindende Verhandlung scheiterte ohne Ergebnis, sodass wir unseren trockenen Hungerstreik fortsetzten,  um unsere Forderung nach gleichen Rechten zu erreichen.

Am Samstag, den 29. Juni, am 8. Tag unseres Hungerstreiks und gleichzeitig dem 5. Tag unseres trockenen Hungerstreiks, scheiterte die zweite Verhandlungsrunde auf Grund einer noch schlechteren Herangehensweise der Regierung als in der ersten Runde. Schließlich, am frühen Sonntagmorgen des 30. Juni um 04:30Uhr, griffen mehr als 300 Bereitschaftspolizist_innen unser Camp an. Die Hungerstreikenden des Camp wurden geräumt; einige von uns wurden ins Krankenhaus gebracht, andere ins Gefängnis.

Wie reagierte die Regierung auf den Hungerstreik am Rindermarkt?

Schritt 1: Das Nutzen alter Methoden, um den Hungerstreik zu brechen: Falsche Versprechungen

Schritt 2: Beseitigung von Zweifeln in dem politischen- und dominierenden Mediendiskurs
Unser Widerstand gegen die falschen Versprechungen der Autoritäten, ausgedrückt in der Weiterführung des trockenen Hungerstreiks, war eine politische Niederlage für die bayerische Regierung. Plötzlich erzielten alte und erprobte Methoden nicht mehr das gewünschte Ergebnis.Von da an war es Zeit, “neue Methoden” anzuwenden, nämlich der vorgetäuschte Ruf nach Menschenrechten. Diese “neuen Methoden” können wie folgt gruppiert werden:

2-1. Das Gesetz bindet die Regierung und unsere “unmögliche” Forderung

2-2. Medizinische Unterstützung; An einem Tag ein Angebot, um den Hungerstreik zu brechen, am Tag danach ein Gesetz, das durchgesetzt werden muss

2-3. Die politischen Manöver der Regierung bezüglich der Position, des Charakters und der Vorgehensweise unseres Vermittlers

2-4. Die Regierung machte uns deutlich: Wenn Ihr Euren Hungerstreik nicht brecht, dann werden wir Eure Hände und Arme brechen.

Ein weiteres Mal hat die bayerische Regierung sowie die deutsche Regierung gezeigt, dass sie ihren mittelalterlichen Gesetzen, aktuell, nicht zuwider handeln möchten. Sie werden jegliche Mittel gebrauchen, um die Protestierenden auszumerzen. Es ist ein klarer Widerspruch, dass 300 Polizist_innen der Hundertschaften versucht haben uns „zu retten“, indem sie uns am 6. Tag unseres trockenen Hungerstreikes fast zu Tode prügelten. Alle von uns wurden geschlagen, gezwungen ins Krankenhaus zu gehen und sogar ohne jegliche medizinische Versorgung ins Gefängnis gesteckt. Alle von uns wurden unter Druck gesetzt, gefälschte Geständnisse gegen unseren Gesandten zu unterzeichnen. Dabei wurde uns, im Falle einer Kooperation mit ihnen, sogar ein legaler Aufenthaltsstatus angeboten.

Wir erklären hiermit:

1. Im vollständigen Besitz unserer physischen und geistigen Kräfte, basierend auf unserer politischen Erfahrung, beschlossen wir am 22. Juni in einen kollektiven Hungerstreik auf dem Rindermarkt in München zu treten. Kein Individuum, keine Gruppe oder Organisation, wären dazu in der Lage gewesen uns dazu zu bringen, uns in irgendeinem Moment der Entscheidungsfindung während unseres Protestes entgegen unserer Prinzipien zu verhalten.

2.
Jegliche politische Rache seitens der Regierung an einzelnen von uns, wird eine Reaktion von uns allen als Gruppe zur Folge haben.

3. Trotz all der Versuche der Regierung, die ganze Angelegenheit vom Tisch zu wischen, sogar mit Rückgriff auf unmenschliche Mittel: wir, die streikenden Non-Citizens, die den Hungerstreik in München durchgeführt haben, betrachten unser Anliegen als ungelöst und unbeantwortet von Seiten der Regierung. Wir kündigen an, dass unsere Antwort auf die Situation der Non-Citizens ein kollektiver Non-Citizen-Kampf ist, so lange, bis wir gleichberechtigt sind.

4. Ein legaler Aufenthaltsstatus ist das Recht aller Non-Citizens und wir sind entschlossen, bis zur Durchsetzung dessen zu kämpfen. (unsere Pressekonferenz, 10 Stunden nach der Räumung des Camps)

Die hungerstreikenden Non-Citizens (Asylsuchenden) vom Rindermarkt München.

Unsere vollständige Stellungnahme finden Sie hier.
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**** ENGLISH ****

Press release: Statement of the striking Non-Citizens (Asylum seekers) at Rindermarkt

What happened in the 9 days at the Rindermarkt has been analyzed from various positions and views and in different ways in the media or in political circles. Now, we, as the subjects of non-citizen (asylum-seeker) struggles, want to analyze the Rindermarkt struggle from our own position and perspective in order to ensure transparency and account for the parts untold.

“What is to be done for achieving a secured life and having equal rights with others?” Self-organization, the building of networks in order to meet one another was the first step. In more than 70 meetings with the participation of non-citizens (asylum-seekers) who lived in more than 200 camps in Bavaria, the Rindermarkt struggle got organized. Rindermarkt was our own answer to the question that we ourselves had raised. So on the 22nd of June, united as one, we started our collective protest at Rindermarkt.

In our first statement we announced that in order to get our asylum claims accepted we had started a wet hunger strike (taking water but no food) and we gave the German government 3 days time to meet our demand.

After 3 days without any reaction from the government, we organised several meetings and in the end, based on our own reasoning, decided to take another step toward achieving equal rights with other human beings. During our own press conference on Thursday, the 25th of June, we announced that we were going on a dry hunger strike (no food, no water) and that the responsibility of our lives was now in the hands of the authorities and legislators.

After one day, the first reaction from the Bavarian government was a negotiation proposal between us, the dry hunger striking non-citizens (asylum-seekers) and them, the authorities. The negotiation that took place on Wednesday concluded without any result, so we continued our dry hunger strike to achieve our demand for equal rights.

On Saturday, the 29th of June, the 8th day of our hunger strike and at the same time the 5th day of our dry hunger strike, the second round of negotiations failed due to an even worse approach by the government than in the first round. In the end, on early Sunday morning, the 30th June, at 4:30 am, more than 300 riot police forces attacked our camp. The hunger strikers of the camp got evicted; some of us were sent to hospital, some to prison.

How did the government confront the hunger strike at Rindermarkt?

First step: using their old methods for breaking the hunger strike

Second step: erasing the question in the political and dominant media discourse

Our resistance to the false promises of the authorities, by continuing our dry hunger strike, was a political defeat for the Bavarian government. Suddenly old and tested methods did not work out. Hence, now was the time to employ «new methods», using fake human rights slogans. Such «new methods» can be grouped as follows:

2-1. The law binds the government and our «impossible» demand

2-2. Medical support; one day as offer for breaking the hunger strike, the day after a law to implement

2-3. The Government’s political manoeuvres on position, personality and approach of the messenger

2-4. The government made us understand: If you don’t break your hunger strike, we will break your arms and legs.

Once again, the Bavarian government and above it, the German government, showed everybody that, for the moment, they can’t counteract the disadvantages of their medieval laws. They will use any tool available to eliminate the protesters. It’s a clear contradiction that 300 riot police were trying to «rescue» us by beating us nearly to death as we were on the 6th day of our dry hunger strike. All of us got beaten, forced to get to the ambulance and even imprisoned without any medical support in prison.(see how German government tried to rescue us(7)) All of us were pressured to sign false confessions against the messenger, they even offered legal residency to some of us in case of our cooperation.

Hereby we announce:

1- In complete physical and mental consciousness, based on our political experience, we decided to go on a collective hunger strike on the 22nd of June at the Rindermarkt of Munich. No individual, group or organization, in any part of our decision making process in our struggle, was able to force us to engage in practices contrary to our principles and procedures.

2- Any act of political revenge by the government, against anyone of us, will be met with an appropriate answer from us as one group.

3- Regardless of all the attempts of the government to erase the whole issue, even with recourse to inhuman methods, we, the striking non-citizens who conducted a hunger strike in Munich regard our issue as unresolved and unanswered by the government. We announce that our answer to the non-citizen (asylum-seeker) condition will be a non-citizens (asylum-seekers) collective struggle until we achieve equal rights.

4- Legal residency is the right of all non-citizens (asylum-seekers) and we are willing to make it come true (our press conference, 10 hours after the eviction of the camp(8)).

The hunger striking Non-Citizens (asylum-seekers) from Rindermarkt-Munich
Please find our entire statement here.

 
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