Offener Brief der Unabhängigen Gewerkschafter_innen an den Vorsitzender der BS Pflichtschullehrer_innen Paul Kimberger zu den Verhandlungen über das Dienstrecht

Vorsitzendem Paul Kimberger

BL 10 und ARGE Lehrer

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Lieber Paul!
Ich wurde ersucht, mit folgender Frage an dich heranzutreten

Was tut die Bundesleitung APS für ihre 70.000 LehrerInnen, um zu verhindern, dass im Nationalrat über die Köpfe der GewerkschafterInnen hinweg ein neues LehrerInnen-Dienstrecht beschlossen wird?

Mediales Trommelfeuer (*) über die angebliche Unbeweglichkeit der LehrerInnen-Gewerkschaften gepaart mit Vorbehalten der Öffentlichkeit unserem Berufsstand gegenüber lassen nicht hoffen, dass die ÖsterreicherInnen im Konfliktfall auf unserer Seite stehen.
Ich wurde beauftragt dich zu bitten, dass unsere Gewerkschaft aktiv wird und ihre Vorstellungen und Forderungen bezüglich eines neuen Dienstrechts auf den Tisch legt – in für die Öffentlichkeit gut wahrnehmbarer Weise.

Wir brauchen eine klar definierte Beschreibung der beruflichen Aufgaben von LehrerInnen. Die geltenden Bestimmungen sind schwammig und laden zum Missbrauch ein.  SchulleiterInnen können mittels Weisungsrecht und disziplinarrechtlichem Druck KollegInnen bis in die Nacht hinein mit Tätigkeiten aller Art eindecken.

Lehrlinge sind inzwischen gegen Willkür wesentlich besser geschützt als LehrerInnen.

Wir brauchen klare arbeitszeitgesetzliche Bestimmungen.  Mehrtägiger 24-Stunden-Dienst bei Schulveranstaltungen  wird vom Dienstgeber nicht angemessen anerkannt. Die so anfallende Nachtarbeit gibt es offiziell gar nicht. Die Abgeltung dafür ist deutlich geringer als in anderen Branchen.

Der sogenannte „C-Topf“ ist ein Fass ohne Boden. Aus den darin angeführten ursprünglichen 10 Stunden unentgeltliche Beaufsichtigung von SchülerInnen wurden binnen eines Jahrzehnts 20, und zwar zum echten Unterrichten.

Die  – im Zug der Einführung der „Neuen Mittelschule“ – eingeführten „KEL-Gespräche“, die ergänzende differenzierte Leistungsbeschreibung und umfangreiche verpflichtende Fortbildungsveranstaltungen zeigen exemplarisch, dass LehrerInnen zunehmend Mehrarbeit zum Nulltarif abgerungen wird.

Wir brauchen ein Dienstrecht, das schwierigen Rahmenbedingungen wie beispielsweise aufwändige Korrekturfächer, zeitraubende Vorbereitung von Laborstunden, unterschiedliche  Gruppen- und Klassengrößen, hohe Anzahl von   schlecht oder nicht Deutsch sprechenden SchülerInnen Raum gibt und für Ausgleich sorgt.

Wir haben ein Konzept zur Berechnung der Unterrichtsverpflichtung erarbeitet, das als Modell dienen kann. Wir stellen es dir gerne zur Verfügung.

Bei korrekter Vor- und Nachbereitung des Unterrichts ist eine valorisierte Unterrichtsverpflichtung von 20 Wochenstunden ausreichend.  Diese gehört eingefordert.

Ein neues LehrerInnen-Dienstrecht muss der Tatsache Rechnung tragen, dass sich Österreich (mit bedauerlichen Unterbrechungen) seit inzwischen fast 100 Jahren eine demokratische Republik nennt. Das derzeitige LehrerInnen-Dienstrecht kann zu Recht als hierarchisch-diktatorisch bezeichnet werden. In Konfliktfällen geht es oft nicht um die Sache, da sich die hierarchisch höher gestellte Person so leicht durchsetzen kann. Hoch an der Zeit, dass Entscheidungen nicht mehr einsam „oben“ fallen sondern gemeinsam unter Mitwirkung aller Beteiligter.

Schulleitung – auch auf mehrere Personen aufteilbar – muss in  regelmäßigen Intervallen von den betroffenen LehrerInnen gewählt werden können.

Was inzwischen schon bei Sektionschefs gilt  – eine Bestellung auf Zeit, ist für Schulleitungen nur recht und billig.

LehrerInnen sollen ihre SchülerInnen zu mündigen, demokratischen BürgerInnen erziehen, stecken selbst aber in einem arbeitsrechtlichen Korsett, weit weg von demokratischen Strukturen.

Das ist nicht tragbar und genauso  absurd, wie wenn in frontalunterrichtlicher Art gegen den Frontalunterricht gewettert wird.

Disziplinäre Schwierigkeiten kosten Unterrichtszeit.  Die skandinavischen Staaten zeigen vor, wie man auf helfende Weise mit dafür spezialisiertem Personal Probleme unverzüglich anpacken kann.

Unterstützungspersonal ist in ausreichendem Maße bereit zu stellen. Das Investment in effektive Hilfe für Jugendliche rechnet sich. Die Arbeitsbedingungen für SchülerInnen und LehrerInnen verbessern sich nachhaltig.

 Ressourcen für die Sonderpädagogik müssen sich am Bedarf orientieren, nicht an fiktiven Werten.

„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ –  Verwaltungsvereinfachung bringt Geld.  Erhalten gleichwertig ausgebildete LehrerInnen vom ersten bis zum letzten Dienstmonat die gleiche Entlohnung, läßt sich Verwaltungsaufwand sparen, Gerechtigkeit zieht ein.

Wir haben die Lebensverdienstsumme einer akademisch ausgebildeten Lehrkraft errechnet und durch die Dienstmonate dividiert. Das monatliche Durchschnittsbruttogehalt beträgt nunmehr 3.800 Euro.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Die LehrerInnen-Gewerkschaft kann in die Offensive gehen, wenn sie eine Gesetzesvorlage für ein neues Dienstrecht formuliert. Obige Vorschläge können Grundlage für ein einfaches, modernes und zukunftsweisendes Dienstrecht sein.

Legen wir unseren Vorschlag den VertreterInnen des Dienstgebers vor.

Beweisen  wir unser Interesse an einem neuen Dienstrecht, ziehen wir den verfahrenen Karren aus dem Dreck!

Gewerkschaftliche Grüße!

Hagenberg/Kufstein/Wien, 23. Juni 2013

Wilfried Mayr, Barbara Gessmann-Wetzinger, Andreas Chvatal

(VertreterInnen der Unabhängigen GewerkschafterInnen (UG) in der GÖD-Bundesleitung Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer)

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ad (*) Unlängst war in den Medien zu lesen, LehrerInnen sollen künftig jeden Schultag acht Stunden an den Schulen anwesend sein.  Weder die räumlichen Gegebenheiten noch die Ausstattung österreichischer Schulen erlauben den LehrerInnenteams konzentrierte Vor- und Nachbereitung des Unterrichts  im Schulhaus.