Wien/Demokratie/Kommentar:
Zwei einander widersprechende Fragen (3 und 4) bei der Wiener Volksbefragung
2013 befassen sich mit der Privatisierung. Die Wiener SPOe war dabei schon
immer sehr kreativ.
Waehrend die Fragen 1 und 2 bei der Volksbefragung – die im Uebrigen wie
alle Volksbefragungen in Oesterreich keineswegs bindend ist, wie die SPOe
und die Gruenen das darstellen wollen – sich mit der Frage „Parkpickerl von
vorn oder mascheks“ und der Olympiabewerbung befassen, bergen Fragen 3 und 4
viel Sprengstoff und lassen dringende Zweifel an der Redlichkeit der
Rathaus-Granden aufkommen – so das nicht ohnehin nicht schon laengst
geschehen ist.
So ist der von der SPOe auf den Plakaten fuer die Volksbefragung beworbene
Schutz der Wasserversorgung vor Privatisierung nichts anderes als ein
gewieftes Ablenkungsmanoever. Diese ist naemlich ohnehin seit 2001 durch ein
Landesgesetz verboten, das nur mit Zweidrittelmehrheit im Gemeinderat
geaendert werden kann. Aber wenn es politisch opportun ist, weil z.B. die EU
Anderes fordert, wird die SPOe mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit ganz schnell zurueckrudern und das Ergebnis der VB
ignorieren, trotz aller jetzigen Beteuerungen. Auch die „Wiener Charta“ des
Vorjahres kann hier bestenfalls eine emotionale Beruhigung fuer Menschen mit
kurzem Gedaechtnis sein.
Denn wie wenig ernst es der SPOe mit ihren Versprechen ist, haben wir schon
lange am Beispiel anderer kommunaler Dienstleistungen gesehen. So wurden
zwischen 1998 und 2001 U-Bahn- und Straszenbahn-Garnituren mit einem
gesamten Transaktionsvolumen von ueber EUR 1,6 Mrd., 2002 Kanalnetz und
Abwasserentsorgung noerdlich der Donau (500 Mio.) und schlieszlich 2003 das
Rechenzentrum der Wiener Stadtverwaltung (100 Mio.) mittels
Cross-Border-Leasing einem hochriskanten Finanzkonstrukt mutwillig
ausgesetzt. Wenn nur eines der drei beteiligten Bankinstitute kracht, ist
mit Allem zu rechnen – bis hin zum Totalverlust. Selbst wenn dies nicht
eintritt, gibt es erhebliche Beschraenkungen und Belastungen.
Aber nicht nur da war die SPOe schon bisher sehr kreativ. Die Wiener SPOe
nutzte schon seit den 1990er-Jahren rege das Instrument der Ausgliederung
(u.a. Wiener Stadtwerke Holding, Fonds Soziales Wien). Wir wollen ja nichts
Boeses unterstellen – aber so kann auch das Feld fuer Privatisierungen
aufbereitet werden. Diese ausgegliederten Unternehmen sind letztlich
privatwirtschaftlich organisiert und gewinnorientiert. Ein
Eigentuemerwechsel (derzeit: Stadt Wien zu 100%) kann in aller Stille, ohne
viel Aufhebens und am Volk vorbei erfolgen.
Auch von neuen Gemeindewohnungen wurde Wien mittlerweile fast ganz befreit –
ein Ausverkauf der Mieteinnahmen. Das wieder zu reparieren wird aufgrund der
Lohn- und Preisentwicklung sehr bald notwendig werden und sehr viel mehr
kosten als der kurzfristige Gewinn betrug.
Auch die Bundes-SPOe hat sich schon lange den neoliberalen Kurs zu eigen
gemacht. So titelt denn auch das WirtschaftsBlatt am 17.2.2013: „In SPOe
broeckelt Widerstand gegen weitere Privatisierungen“ und weiter: „Weitere
Anteilsverkaeufe bei OMV, Telekom Austria und Post sind kuenftig nicht mehr
gaenzlich ausgeschlossen.“ – Wien ist nicht anders.
Wie verlogen die Volksbefragung 2013 ist, erkennt man, wenn man Frage 4
eingehend analysiert. Beim beschriebenen Modell handelt es sich um nichts
anderes als Sale-Lease-Back – nur dass hier das Geld direkt vom Buerger
abgezogen wird – beinahe haette ich „abgezockt“ geschrieben. Mit einer
Verzinsung rund um die Inflationsmarke. Und bei Energie handelt es sich um
Grundversorgung. Wie war das nochmal mit Frage 3?
All diese neoliberalen Methoden setzt die Wiener SPOe – nunmehr unter
Beteiligung der Gruenen – seit gut 20 Jahren oft und gerne ein. Denn ein
Dazulernen aus vergangenen Erfahrungen des Bundes ist wohl zu viel verlangt.
Privatisierungen sind letztlich nur kurzfristig budgetwirksam und bedeuten
in der Regel einen saftigen Verlust. Ein Beispiel: Bei der letzten
Privatisierungstranche der OMV (14,9 %) im Jahr 1996 betrug der Erloes
umgerechnet 0,3 Mrd Euro; 1996-2010 ging dadurch jedoch 1,5 Mrd. an
Einnahmen verloren. (Quelle: Arbeiterkammer Wien; Materialien zu Wirtschaft
und Gesellschaft 114). Das zeigt auf, wie gemeinschaftlich geschaffene (also
unsere) Unternehmen – auch abseits der BUWOG – mit Verlust verscherbelt
werden und fuer immer verloren sind. Und das ist nicht alles nur KHG und
Schuessel zu verdanken.
Das Fazit? Volksbefragungen sind lediglich Volksberuhigungen. Sie sind nicht
bindend und wurden und werden ignoriert, wenn das Ergebnis irgendwann nicht
mehr opportun ist. Im Ernstfall wird die SPOe munter weiter verscherbeln.
Auch das Wiener Wasser, wenn die EU es verlangt.
Deshalb ist eine gruendliche Information der Bevoelkerung ueber die
tatsaechlichen Ablaeufe und ein starkes Auftreten gegen Privatisierungen
essentiell, wenn wir unser gemeinschaftlich geschaffenes Vermoegen bewahren
wollen.
*Peter Gruendler*