Rezension, A.Holberg: Werner Ruf – „Der Islam – Schrecken des Abendlandes“

A. Holberg                 

 Buchbesprechung:

Werner Ruf: Der Islam – Schrecken des Abendlandes. Wie sich der Westen sein Feindbild konstruiert. (PapyRossa Verlag) Köln 2014. 141 S., € 11,90

Mehr denn je ist mit dem Vormarsch der wahhabitischen Miliz des „Islamischen Staates (in Syrien und im Irak)“ (IS) „der“ Islam in den Mittelpunkt abendländische Bedrohungsängste gerückt. Das vorliegende Buch des emeritierten Professors, Werner Ruf, ist eine aktualisierte Fassung seines bereits im vergangen Jahr im gleichen Verlag erschienenen gleichnamigen Buches zum Thema.

Der größte Teil des Buches ist der – für einen wissenschaftlich denkenden Menschen überaus leichten – Aufgabe gewidmet, die hierzulande verbreiteten Thesen von Islamhetzern wie Thilo Sarrazin, Henryk M. Broder, Ralph Giordano, der Sekte der „Antideutschen“, oder von Hamed Abdel-Samad, jenes zwielichtigen Kollegen des Herrn Broders, der schon deshalb hier als „Islamexperte“ vermarktet werden kann, weil er ägyptischer Herkunft und Sohn eines Vorbeters in der Moschee  ist, zu widerlegen. Das ist wie gesagt eine einfache Aufgabe für jeden, der sich diesem ernsten Problem mit einem Mindestmaß an Wissenschaftlichkeit nähert, schon deshalb, weil es ein Leichtes ist, aufzuzeigen, dass es „den“ Islam weder theologisch noch historisch gibt, außer in der Vorstellung islamischer Fundamentalisten und ihrer antiislamischen Kollegen.

Werner Ruf zeigt darüber hinaus die ideologische Kontinuität und die machtpolitischen Hintergründe von christlich-abendländischen Antijudaismus (gemeinhin mit dem unpräzisen Begriff des Antisemitismus bezeichnet) und dem heutigen Islamhass auf. Die Tatsache, dass große Teile der extremen Rechten ihren traditionellen „Antisemitismus“ durch Islamhass („Islamophobie“) bei gleichzeitigen Freundschaftsbekundungen für den zionistischen Siedlerkolonialismus des „jüdischen Staates“ ersetzt haben, ist ein wichtiger Hinweis in diese Richtung. Das 12. Kapitel ist dem „Djihadismus“ gewidmet, jener Minderheitsrichtung im Islam, die durch das erwähnte Vordringen der IS in Syrien und im Irak ihren bisherigen traurigen Höhepunkt erreicht hat. In diesem Zusammenhang weist Prof. Ruf richtig darauf hin, dass die unbestreitbare Förderung solcher jihadistischen Organisationen durch den Westen und seine regionalen Verbündeten von der Türkei bis zu den Golfmonarchien (sowohl mittelbar durch dessen Beitrag zum Zerfall der staatlichen Ordnung im Irak und dann in Syrien als auch unmittelbar durch die Finanzierung und Bewaffnung solcher sunnitisch-sektiererischer Gruppen wie der Nusra-Front und eben der IS für ihren Kampf gegen das Assad-Regime) keineswegs bedeutet, dass sie nicht zu irgendeinem Zeitpunkt – und der scheint was die IS betrifft bereits eingetreten zu sein – auch in einen tödlichen Widerspruch zwischen dem westlichen Imperialismus und seinen einstigen Schutzbefohlenen umschlagen kann.

Werner Rufs Buch ist eine gut verständliche und überzeugende Einführung in das Thema. Allerdings möchte ich einen Mangel monieren. Dabei handelt es sich nicht etwa darum, dass irgendetwas von dem, was der Autor geschrieben hat, falsch wäre. Vielmehr scheint mir ein wichtiger Punkt zu fehlen. Da die Menschen normalerweise nicht damit leben wollen, dass sie zu einer sie interessierenden Frage etwas nicht wissen und verstehen, tendieren sie dazu, offene Fragen mit irgendetwas – vornehmlich ihnen von interessierter Seite mundgerecht angebotenem Unsinn – zu beantworten. Diesen – hier die „Theorien“ von antiisemitischen Rassisten oder islamophoben Kulturalisten – sind einfach zu widerlegen, bleiben aber solange im Bewusstsein der Massen wie keine überzeugende Alternative angeboten wird. Der von Werner Ruf ausdrücklich bestätigte zivilisatorische Rückfall der islamischen Welt bedarf somit, wenn er nachweisbar weder „rassische“ noch religiös-kulturelle Ursprünge hat, der Erklärung. Dieser Rückfall, der seinen Höhepunkt mit der Reconquista im Spanien des 15. Jahrhunderts fand, kann nicht alleine im Wirken des Imperialismus bestehen, denn er geht diesem ja zeitlich deutlich voraus und ist gewissermaßen eine Voraussetzung für die weltweite Expansion des „christlichen Abendlandes“.