Sign and spread manifesto for Lampedusa in Hamburg! / Manifest fuer Lampedusa in Hamburg unterzeichnen und verbreiten!

Bitte Manifest fuer Lampedusa in Hamburg unterzeichnen:

http://manifest-fuer-lampedusa-hh.de/ [1]

 Auch andere Soliaktionen in Wien oder anderswo willkommen (Kundegbungen, Transpiaktionen, Videobotschaften…) – auch wenn’s nur was kleines ist!

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 HIER EINE ZUKUNFT! MANIFEST FÜR LAMPEDUSA IN HAMBURG

 „Europa und Deutschland müssten bei bedingungslos offenen Grenzen die Existenz informeller Siedlungen in und vor den Städten akzeptieren, wie sie an vielen Orten der Welt verbreitet sind (…) Für Qualifizierte aus Drittstaaten hat Deutschland im Rahmen des europäischen Rechts die Grenzen geöffnet. (…) Wer eine Beschäftigung nachweist, bei der er mehr als 46.400 Euro brutto im Jahr verdient, kann dank der EU Blue Card mit Familie einreisen und de facto dauerhaft bleiben.“ (Olaf Scholz, Rede am 19.3.2014 im Thalia Theater)

 „Macht uns ruhig für Eure Lage verantwortlich! / Wir können euch sogar Leute schicken, die euch bedauern / Je besser wir die Beute vor euch sichern / Desto bedauerlicher können wir das alles finden / Und je mehr wir euch auf Abstand halten / Desto mehr haben wir den Kopf frei / Um uns für Euer unverschuldetes Elend aufrichtig zu interessieren.“ (Gesang der Ablehnung aus Schwabinggrad Ballett & Lampedusa in Hamburg „We Are the Evidence of War“, Performance für die Wiener Festwochen)

 Wir, die Unterzeichnenden, erleben seit dem Frühjahr 2013 mit, wie eine Gruppe von afrikanischen Flüchtlingen, die in Libyen gearbeitet haben und 2011 vor dem Krieg geflüchtet sind, hier in Hamburg für ihre Rechte kämpft. Wir unterstützen den Kampf dieser Gruppe, aus den unterschiedlichsten Gründen. Die einen sind aus christlicher Nächstenliebe dabei, andere aus humanitären oder politischen Gründen, manche sind als Nachbarin oder Nachbar dazugekommen, andere von uns vertreten soziale, kulturelle oder politische Institutionen. Was uns eint, ist die Überzeugung, dass diese Menschen eine Zukunft haben müssen – und zwar hier, in dieser Stadt. Wir meinen, dass sie alle Gründe haben, sich gegen die EU-Flüchtlingspolitik zu stellen, die der Senat an ihnen zu exekutieren versucht. Wir sind froh, dass sie den Mut und die Ausdauer haben, sich dagegen zu stellen.

 Denn dass sie in einem Asylverfahren kaum eine Chance haben, hat die Innenbehörde oft genug kundgetan. Wir hätten in ihrer Lage genau das versucht, was sie gemacht haben: auf die Barrikaden zu gehen. Was nicht einfach ist, wenn man, wie die Männer und Frauen aus Ghana, Mali, der Elfenbeinküste, Togo, Burkina Faso, Kamerun, dem Sudan oder Nigeria, vereinzelt und mittellos in einer fremden Stadt ankommt. Sie gehörten zu den rund anderthalb Millionen afrikanischen Migrantinnen und Migranten, die im Libyen der Gaddafi-Ära Jobs gefunden hatten. Den Rebellen, die ohne Schützenhilfe der Nato mit logistischer Unterstützung aus Deutschland das Regime niemals hätten stürzen können, galten die Afrikaner als Gaddafi-Kollaborateure. Nach dem Sturz von Gaddafi gab es Pogrome gegen sie, die Nato bombardierte Tripolis, das Militär schaffte sie in überfüllten Schiffen außer Landes. Mit Glück gelangten sie nach Lampedusa. Nach fast zwei Jahren in italienischen Flüchtlingslagern schickten die Behörden sie mit ein paar Euro-Scheinen und einer temporären EU-Aufenthaltserlaubnis nach Norden. So kamen sie nach Hamburg. Statt abzutauchen, um sich mit Hungerlöhnen und Wuchermieten in einer Schattenökonomie durchzuschlagen, wie es die meisten der Sans papiers in Deutschland machen müssen, zeigten sie sich öffentlich und verlangten eine politische Lösung für ihre desolate Lage.

 Bis dato verweigert der SPD-Senat jedes konstruktive Gespräch über eine solche Lösung. Das Argument: Ein kollektives Bleiberecht für die Lampedusa-Flüchtlinge sei eine „Ungerechtigkeit“ gegenüber jenen, die sich in einem regulären Verfahren befänden und sei „anderen Flüchtlingen nicht vermittelbar“, so Innensenator Michael Neumann. „Nur weil man ordentlich Rabatz macht und am lautesten demonstriert, wird Unrecht nicht plötzlich Recht“, erklärte Neumann in einem Interview. Als wäre das Unrecht nicht der mit Nato-Unterstützung geführte Krieg, der diesen Leuten die Existenz genommen hat. Als wäre die Forderung der Lampedusa-Gruppe nach Aufenthaltsrecht nicht aus dieser Lage erwachsen – sondern ein freches Privileg gegenüber denen, die stumm im Lager ausharren müssen. Wir empfehlen, dass alle Politiker, die so argumentieren, sich mal probehalber dem Regelverfahren ausliefern, das sie den Flüchtenden ans Herz legen. Dass sie mal einige Wochen in den trostlosen Gemeinschaftsunterkünften und Containerdörfern verbringen, in denen in Hamburg derzeit rund 7000 Menschen leben müssen – oft jahrelang und in einer aussichtslosen Warteschleife. Die „Einzelfallprüfung“, von der der SPD-Senat redet, findet ohnehin nicht statt. Die Ausländerbehörden urteilen pauschal: Aus welchem Land kommt jemand und über welches Land ist er oder sie eingereist. Das war’s. Wenn das Herkunftsland als sicher gilt? Abschiebung. Was dort wirklich los ist, interessiert dabei wenig.

 Ehrlich gesagt: Angesichts des EU-Grenzregimes, das auch und gerade in Hamburg gilt, finden wir es völlig unpassend, wenn der Bürgermeister die Stadt als „Arrival City“ preist. Hamburg sei „eine kosmopolitische, also welt-bürgerlich orientierte Stadt“, so eröffnete Olaf Scholz seine programmatische Rede im Thalia Theater. In Wahrheit handelt es sich um einen Kosmopolitismus, der auf dem Prinzip des Cherry-Picking basiert, der Menschen bloß als ökonomische Ressourcen begreift. Na klar, Hamburg und überhaupt Europas Metropolen wollen international sein. Doch nicht die realexistierende Internationalität ist gemeint. Dass Europa durch die Ideen, Fähigkeiten und Potentiale bereichert wird, die die Leute tatsächlich mitbringen, kann sich dieser Kosmopolitismus schwer vorstellen. Mobilität, Grenzenlosigkeit und Freizügigkeit sollten nur gelten für Kapitalströme, für Unternehmen und Hochqualifizierte, deren Skills man gerne für das Wachstum der europäischen Ökonomien nutzen möchte. Um alle anderen vom Übertritt der EU-Außengrenzen abzuhalten, gibt die Gemeinschaft jedes Jahr hunderte von Millionen aus – für militärischen Grenzschutz, Push-Back-Operationen, Drohnen, Satellitenüberwachung, Computersysteme, Bürokratien und Security-Armeen.

23.000 Menschen sind seit der Jahrtausendwende gestorben, bei dem Versuch, Europa zu erreichen.

 Wir sind den Leuten von „Lampedusa in Hamburg“ dankbar, dass sie dem Protest gegen dieses Grenzregime Stimme und Gesicht gegeben haben. Sie haben dieser Stadt klargemacht, dass das mit dem Rosinenpicken nicht funktioniert. Dass man sich nicht einfach „Eure Armut kotzt mich an!“-Aufkleber auf die Heckscheibe pappen kann, dass man Menschen auch weder mit Mitleid noch mit milden Gaben loswerden kann, wenn sie dazu entschlossen sind, für ihr Bleiberecht einzutreten. Wenn sie dazu entschlossen sind, sich nicht in Lager stecken zu lassen, sich nicht auf Schritt und Tritt kontrollieren zu lassen, sich nicht in die Hände eines Behördenapparates zu geben, der ihnen das Arbeiten und die Mobilität verbietet, der sie nach Belieben kontrolliert, kaserniert, umverteilt und abschiebt. Ihr Aktivismus ist Ansporn und Hoffnung für alle die, die untätig und isoliert in deutschen Lagern sitzen. Daher ist uns auch

klar: Es geht hier um einen Präzedenzfall. Mit der Weigerung, eine politische Lösung herbeizuführen, will der Senat jede Hoffnung im Keim ersticken, dass selbstorganisierter Widerstand von Flüchtlingen sich lohnen könnte. Die breite Lampedusa-Solidaritätswelle darf gerne als Sommermärchen in die Annalen eingehen, das positiv auf das Image einer toleranten Metropole einzahlt – aber sie soll folgenlos bleiben.

 Wir meinen: Ihr Kampf und unsere Solidarität müssen Folgen haben. Trotz über einem Jahr Protest, trotz Dutzender von Demonstrationen, trotz breiter zivilgesellschaftlicher Unterstützung sitzt die Mehrzahl der Lampedusa-Flüchtlinge heute wieder auf der Straße. Diese Situation muss sich ändern. Wir unterstützen daher die Forderung der Gruppe nach einem „Lampedusa in Hamburg Haus“ – also einem Ort, der Unterkunft sowie eine soziale und politische Infrastruktur bieten kann.

 Es geht um sehr viel. An der Zukunft der Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg hängt für uns auch die Hoffnung auf ein anderes Europa, das global tatsächlich Verantwortung übernimmt, statt nur seine Interessen durchzusetzen. Uns ist klar, dass dieses Europa eines ist, das wir von unten, zivilgesellschaftlich und in Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen durchsetzen müssen. Wir rufen ihnen zu: Ihr seid hier, um zu bleiben!


A FUTURE HERE! MANIFESTO FOR LAMPEDUSA IN HAMBURG

 _“The unconditional opening of borders would oblige Europe, and Germany, to accept the existence of the kind of informal settlements in and around their cities that are found in many other parts of the world […] Within the framework of European justice, Germany has opened the borders to qualified people from the third world […] Anyone who can prove that he has an occupation which earns him more than 46,400 euros per year can immigrate with his family, and can, de facto, stay permanently, thanks to the E.U. Blue Card.” __(Olaf Scholz, speech in the Thalia Theatre, 19.3.2014)_

 “Go ahead and make us responsible for your situation! / We can even send you people who’ll feel sorry for you / The better we can secure the booty from you / The more regrettable we can find it all / And the more we can keep you at a distance / The more free our heads will be / To be sincerely interested in your undeserved misery” _(Song of Rejection from The Schwabinggrad Ballet & Lampedusa In Hamburg “We Are The Evidence Of War”, performed at the Vienna Festival Week)_

 WE, THE UNDERSIGNED, HAVE BEEN WITNESSING – SINCE THE SPRING OF 2013 – HOW A GROUP OF AFRICAN REFUGEES, WHO WERE EMPLOYED AS WORKERS IN LIBYA AND FLED FROM THE WAR IN 2011, HAVE BEEN FIGHTING FOR THEIR RIGHTS HERE IN HAMBURG. WE SUPPORT THE STRUGGLE OF THIS GROUP FOR A WIDE VARIETY OF REASONS: SOME IN THE NAME OF CHRISTIAN CHARITY AND OTHERS FOR HUMANITARIAN OR POLITICAL REASONS; SOME HAVE JOINED AS NEIGHBOURS, AND SOME OF US REPRESENT SOCIAL, CULTURAL OR POLITICAL INSTITUTIONS. WHAT UNITES US IS THE CONVICTION THAT THESE PEOPLE MUST HAVE A FUTURE – A FUTURE HERE, IN THIS CITY. WE BELIEVE THAT THEY HAVE EVERY REASON TO OPPOSE THE E.U. REFUGEE POLICY, WHICH THE SENATE IS ATTEMPTING TO IMPOSE UPON THEM. WE ARE GLAD THAT THEY HAVE THE COURAGE AND THE PATIENCE TO DEMONSTRATE THIS OPPOSITION.

 The ‘Innenbehörde’ [ the department for internal affairs ] has made it apparent, on numerous occasions, that they have virtually no chance of success through the standard asylum procedures. In their position, we would have tried to do exactly what they have done: namely, to raise the barricades – which is far from easy to do for men and women from Ghana, Mali, Ivory Coast, Togo, Burkino Faso, Cameroon, Sudan or Nigeria who have arrived isolated and penniless in a foreign city. They are part of a population of approximately one and a half million African migrants who found jobs in Libya during the Gaddafi era. They were regarded as collaborators of the Gaddafi regime by the rebels, who would never have been capable of toppling that regime without the back-up assistance of NATO, including logistical support from Germany. Following the fall of Gaddafi, they became victims of pogroms, as Tripoli was bombarded by NATO, and the military expelled them from the country in overcrowded ships. They were fortunate enough to reach Lampedusa. After spending two years in Italian refugee camps, they were given a few Euros and temporary E.U. residency permits, and sent north by the authorities.

Thus they arrived in Hamburg. Rather than going underground, to scrape together an existence from the starvation wages and exorbitant rents of the shadow economy – as most of the people who arrive in Germany ‘sans papiers’ are forced to do – they showed themselves openly, and demanded a political solution to their desperate situation.

 To date, the S.P.D. senate has refused to take part in any constructive dialogue, regarding such a solution. Their argument is that granting a collective right to stay to the Lampedusa refugees would be doing an “injustice” to all those who are going through the regular procedures; such a right would be “unobtainable for other refugees”, in the words of ‘Innensenator’ [ minister for the interior ] Michael Neumann. In an interview, he stated: “Just because somebody makes a real racket and demonstrates the most loudly, it doesn’t suddenly turn injustice into justice”… as though the NATO-supported war which robbed these people of their existence wasn’t an injustice; as though the Lampedusa group’s demand for the right to residency wasn’t the result of that situation, but rather an insolent insistence on priveleges that are unavailable to those who have to endure life in refugee centres. We recommend that all politicians who argue thus should try the experiment of themselves going through the regular procedures that they impose upon refugees; that they spend a few weeks in the cheerless communal living quarters and container-villages which are currently the homes of about 7,000 people in Hamburg – many of whom spend years on a hopeless, interminable waiting list. The S.P.D. talks about “individual examinations” which don’t happen anyway. The ‘Ausländerbehörde’ [ the department for aliens ] makes sweeping judgements, merely asking: from which country does someone come, and through which country did they arrive?… that’s all. If the country of origin is deemed to be safe? … Deportation. Scant attention is paid to what is really happening there.

 In plain terms: considering the E.U.’s border regime – which also applies to Hamburg, of course – we find it totally inappropriate that the mayor should extol the town as “Arrival City”. Olaf Scholz began his programmatic speech in the Thalia Theatre by describing Hamburg as “a cosmopolitan city oriented to the citizens of the world”. In truth, it is a cosmopolitanism based on the cherry-picking principle, which regards people as nothing more than economic resources. Of course Hamburg, like all major European cities, wants to be regarded as international – but not in the sense of real-life internationalism.

This kind of cosmopolitanism finds it hard to imagine that Europe could be enriched by the ideas, the capabilities and the potential that these people bring with them. Mobility, open borders and unrestricted movement are only intended to apply to the streams of capital, to businesses, and to the highly-qualified, whose skills are coveted for use towards the growth of the European economy. The union spends hundreds of millions, annually, on preventing anyone else from penetrating the outer borders of the E.U.: on border patrols, push-back operations, drones, satellite surveillance, computer systems, bureaucratic processes and armies of security forces. Since the start of the millenium, 23,000 people have perished, attempting to get into Europe.

 We are grateful to the people of “Lampedusa In Hamburg” for giving a voice and a face to the protest against this border regime. They have made it clear to this city that this method of selective fruit-plucking does not work; that you can’t simply put a sticker saying “your poverty makes me sick” on your rear windscreen; that you can’t get rid of people with sympathy and token gestures, when they are determined to stand up for their right to stay, when they are determned not to let themselves be stuck into camps, not to tolerate their every move being controlled, not to deliver themselves into the hands of a bureaucratic mechanism which controls, incarcerates, disperse and deports them at will. Their activism gives encouragement and hope to all those who are forced to sit idle and isolated in German refugee centres. Thus, it is evident to us that this is a case of setting a precedent. By refusing to bring about a political solution, the senate wants to nip in the bud any hope that self-organised resistance is worth pursuing. It’s fine for the broad wave of solidarity with Lampedusa to go down in the history books as a heart-warming fairytale that casts a positive light on the tolerant image of the metropolis – but there should be no further consequences.

 WE BELIEVE THAT THEIR STRUGGLE AND OUR SOLIDARITY MUST HAVE CONSEQUENCES. THE MAJORITY OF THE LAMPEDUSA REFUGEES ARE NOW BACK ON THE STREETS, IN SPITE OF A YEAR OF PROTEST, DOZENS OF DEMONSTRATIONS, AND BROAD SUPPORT FROM THE CIVIL SOCIETY. THIS SITUATION HAS TO CHANGE. WE THEREFORE SUPPORT THE GROUP’S DEMAND FOR A “LAMPEDUSA IN HAMBURG HOUSE” – IN OTHER WORDS, A PLACE THAT CAN OFFER BOTH ACCOMMODATION AND A SOCIAL AND POLITICAL INFRASTRUCTURE.

 There is much at stake. For us, the future of the Lampedusa refugees in Hamburg represents the hope for a different Europe, one which takes genuine global responsibility, rather than merely pursuing its own interests. It’s clear to us that this is a Europe that we must bring about from the bottom up, through civil society, and by working together with the refugees. TO THEM, WE DECLARE: YOU ARE HERE TO STAY!