Offener Brief einiger Frauen aus dem Flüchtlingslager Breitenworbis und
Die Press TLZ | Thüringische Landeszeitung
An das Landratsamt Eichsfeld, die Eichsfelder Ausländerbehörde und das
Eichsfelder Sozialamt
Offener Brief einiger Frauen aus dem Flüchtlingslager Breitenworbis
http://thevoiceforum.org/node/3056
Wir leben in einem alleinstehenden Wohnhaus, 2 km von dem Ort
Breitenworbis entfernt. Nebenan befindet sich eine stinkende Kläranlage
sowie eine Mastanlage, was das Wohnen besonders im Sommer unerträglich
macht. 120 Menschen – Familien und Alleinstehende – müssen sich wenige
Toiletten, Duschen und Küchen teilen. Um einzukaufen, zum Arzt, zur Schule
oder zum Kindergarten zu gelangen, müssen wir mehrere Kilometer zu Fuß auf
einer unbeleuchteten Straße laufen. Eine Bushaltestelle gibt es nur im
Ort.
Wir fühlen uns von der Gesellschaft isoliert und ausgegrenzt. Besonders
für Frauen, die krank sind und schlecht laufen können sowie Mütter mit
kleinen Kindern ist dieses Leben unerträglich. Hinzu kommt, dass wir mit
unseren Problemen nicht ernst genommen werden.
Einmal, als es einer alten Frau sehr schlecht gegangen ist, sind die
Frauen, die sich um sie gekümmert haben, zum Hausmeister vor Ort gegangen,
um einen Taxischein zum Arzt zu bekommen oder zu fragen, ob sie jemand mit
dem Auto mitnehmen kann. Die Frau schaffte es selbst nicht mehr zum Arzt.
Da wurde uns gesagt, da würde doch ein Einkaufswagen stehen, da könnten
wir die Frau doch reinsetzen und zum Arzt schieben. Diese absolut
demütigende und herablassende Umgehensweise erleben wir als sehr belastend
und macht uns wütend.
Katastrophal ist die ärztliche Versorgung. Es steht uns nur eine Arzt zur
Verfügung, der alles mit den selben Medikamenten behandelt – Paracetamol,
Magenmittel und Beruhigungsmittel. Wir können uns mit ihm auch nicht
richtig verständigen. Außerdem werden wir nicht richtig darüber
informiert, welche Hilfe ( z.B FachärztInnen oder PhysiotherapeutInnen…)
wir noch in Anspruch nehmen können. Obwohl wir ein Recht auf freie
Arztwahl haben, wird uns dies vom Sozialamt verwehrt. Sie behaupten, sie
hätten einen Vertrag mit diesem Arzt und deswegen müssten alle dort hin
und der Krankenschein wird nur für diesen Arzt ausgestellt. Wenn wir doch
Mal eine Überweisung zum Facharzt bekommen, ist der Weg sehr weit und wir
müssen die Fahrtkosten selbst bezahlen. Erst wenn es ganz schlimm ist und
andere einer helfen sich zu beschweren, können wir den Krankenwagen rufen,
der uns ins Krankenhaus bringt. Einmal hat sich sogar ein Arzt aus dem
Krankenhaus über die schlechte Behandlung beschwert, aber auch das hat
nichts bewirkt.
Viele von uns brauchen dringend auch psychologische Hilfe, wegen dem was
wir schon im Heimatland erlebt haben und jetzt kommt die Isolation hier
dazu. Wir bekommen in dieser Hinsicht aber keinerlei Unterstützung und wir
können uns auch nicht selbst informieren, weil alles zu weit weg ist.
Auch unsere Kinder leiden sehr unter dieser Lebenssituation und wir machen
uns große Sorgen um sie. Einige Kinder haben immer noch keinen
Kindergartenplatz, wo sie was lernen und mit anderen Kindern spielen
können. Der Kinderraum im Lager ist meist zugeschlossen. Wir wollen, dass
unsere Kinder deutsch lernen und in einen richtigen Kindergarten mit
ausgebildeten ErzieherInnen gehen. Gute Bildung für unsere Kinder ist uns
sehr wichtig.
Einige von uns hält nur noch die Tatsache am Leben, dass sie die
Verantwortung für die Kinder haben. So verzweifelt sind sie oft. Die
Kinder sollten doch Ruhe haben, das war das Ziel der Flucht. Jetzt sind
sie in diesem Loch gelandet, in diesem Lager, wie in einem Gefängnis.
Es gibt im Lager aktuell für alle Frauen nur 3 funktionierende Duschen und
so müssen wir oft anstehen. Außerdem ist es so, dass es nur morgens und
abends jeweils für 2 Stunden warmes Wasser gibt. Das ist besonders für
Frauen mit kleinen Kindern und die kranken Frauen schwierig, die dann auch
anstehen müssen oder kalt duschen. Weil sich die Duschen im Keller
befinden, ist das zusätzlich problematisch, wenn Frauen mehrere Kinder
haben und dann weit weg von den Räumen sind, wo sich die anderen Kinder
aufhalten.
Unsere Wäsche dürfen wir nicht selber waschen. Wir müssen sie der
angestellten Wäschefrau bringen, die dann regelmäßig wäscht. Dafür müssen
wir zahlen, auch wenn wir lieber selber waschen wollen, aber die Wahl wird
uns nicht gelassen.
Pro Etage gibt es nur eine Küche für jeweils 40 Menschen, aber nur eine
Küche im ganzen Haus hat funktionierende Herde. Das bedeutet, dass dort
alle Menschen aus dem Lager kochen. Die hygienischen Bedingungen in den
Küchen und den Duschen sind so schlimm, dass es im Lager sowohl Ungeziefer
als auch Mäuse gibt. Im Winter funktionieren die Heizungen nicht immer
gut, so dass die Räume zu kalt sind.
Sobald wir nicht machen, was der Hausmeister sagt, droht er damit, die
Polizei zu rufen. Die Polizei kommt dann zwar nicht aber viele haben Angst
davor und machen deshalb, was der Hausmeister sagt, auch wenn es nicht in
Ordnung ist.
Schon lange beschweren wir uns über diese schrecklichen Zustände im Lager
aber wir wurden nicht ernst genommen und über unser Anliegen nach einer
eigenen Wohnung wurde sich lustig gemacht. Das Einzige, was sich bisher
geändert hat, ist, das einige Wände neu gestrichen wurden. Das ändert aber
nichts an unserem Leben in der Isolation. Ein schönes Gefängnis bleibt ein
Gefängnis!
Wir wollen hier raus, wir wollen selbstbestimmt in Wohnungen leben.
Wir wollen selber entscheiden wo wir wohnen.
und wir wollen endlich ein Aufenthaltsrecht bekommen.
Frauen aus dem Flüchtlingslager Breitenworbis
Hauptsache hier weg! Flüchtlinge aus Breitenworbis wollen Lager schließen
http://thevoiceforum.org/node/3052
Aufruf zur Frauenflüchtlingskonferenz 2013 >>
http://thecaravan.org/node/3640
End
Die Press TLZ | Thüringische Landeszeitung:
Demonstranten forderten Schließung des Heims in Breitenworbis
Auf dem Friedensplatz fanden sich etwa 40 Menschen ein, um die Schließung
des Asylbewerberheims Breitenworbis zu fordern. Foto: Jürgen Backhaus
Mit einer Demonstration vor dem Landratsamt auf dem Friedensplatz wurden
am Donnerstag am späten Nachmittag erneut die Bedingungen im
Asylbewerberheim in Breitenworbis kritisiert und dessen Schließung
gefordert. Zu der Demo des Jenaer Flüchtlingsforums „The Voice“ waren auch
einige Bewohner des Heimes gekommen sowie Unterstützer aus Göttingen, die
damit ihre Solidarität mit den Asylbewerbern bekunden wollten.
Heiligenstadt. Auf Transparenten wurde die Schließung des „Lagers“
gefordert, „Grenzen auf für alle“ und Bargeld statt Gutscheine sowie zu
„Widerstand gegen staatlichen Rassismus“ aufgerufen. Ein Sprecher
erinnerte daran, dass schon im September 2011 und ein Jahr später mit
Demonstrationen in Heiligenstadt auf unbefriedigende Zustände in dem
Asylbewerberheim hingewiesen worden war. Offener Brief konnte nicht
übergeben werden Eine Familie, die sich an der ersten Demo beteiligte,
habe bald darauf eine Wohnung in Heiligenstadt bekommen. Wer aufbegehre,
werde also aus dem Heim genommen. Darin zu leben, sei für alle zurzeit 120
Asylbewerber in vielen alltäglichen Dingen eine große Belastung, zumal
viele seit Jahren auf eine Entscheidung auf ihren Asylantrag warteten.
Aus dem Heim berichteten die beiden Afghanen Hamed Rasali und Ali Najimi
unter anderem über die Nähe zu einem Landwirtschaftsbetrieb mit den
entsprechenden Gerüchen sowie die Enge in den Zimmern, die zu psychischen
Belastungen und auch Schlägereien führe. Zudem funktioniere die Heizung
nicht richtig. Die Veranstaltung wurde vom Ordnungsamt des Landkreises
sowie von Polizeibeamten beobachtet. Weitere Polizeikräfte, die im Falle
einer Konfrontation hätten eingreifen können, hielten sich im Hintergrund.
Eigentlich wollten die Organisatoren vom Flüchtlingsforum dem Landrat
Werner Henning (CDU) einen offenen Brief von Frauen aus dem
Asylbewerberheim in Breitenworbis übergeben.
Aber Henning und sein Stellvertreter waren außer Haus zu wichtigen
Terminen. Die Frauen schildern in dem Brief ihre Lebensumstände neben
einer Kläranlage und einer Mastanlage, aber zwei Kilometer vom Ort
entfernt, und mit wenigen Sanitäreinrichtungen. Sie fühlen sich von der
Gesellschaft isoliert und ausgegrenzt. Sie beklagen sich, dass ihre
Probleme nicht ernst genommen, sie mitunter demütigend behandelt werden.
Und katastrophal sei die ärztliche Versorgung. Ihr Schlusssatz: „Wir
wollen selbstbestimmt in Wohnungen leben.“
Foto:
Jürgen Backhaus / 01.02.13 / TLZ
http://www.tlz.de/startseite/detail/-/specific/Demonstranten-forderten-Schliessung-des-Heims-in-Breitenworbis-297916132
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